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Kind wieder zu sich nehme."Ja, das sagen Sie ihr nur, ich hielte sie für das undankbarste Geschöpf auf Gottes Erdboden, und für Menschen, die ihr Glück so von sich wiesen, hätte ich ferner keine Hilfe mehr!" Ger­trud hatte sich erhoben, eine leichte Verbeugung gemacht und war zur Thür hinaus gegangen, ohne daß die Frau Justizräthin noch ein Wort her­vorgebracht hätte. Sie stieg die Treppe hinab und trat mit vor Erregung gerötheten Wangen auf die Straße. Dort hielt des Vaters Wagen und die feurigen Pferde scharrten schon ungeduldig mit den Hufen.Nach Hause" hieß es und pfeilschnell flogen die edlen Thiere davon. Gertrud lehnte sich in die Kissen zurück und überdachte noch einmal die eben ge­habte unangenehme Unterredung. Sie nahm sich vor mit dem Vater Alles durchzusprechen. Im Hause angelangt, traf sie die Frau Müller, die ihrer Rückkunft entgegenharrte. Gertrud erzählte ihr Alles, auch daß die Frau Justizräthin sie der Aufhetzung beschuldigt hätte.Das ist ja ganz abscheulich, liebes Fräulein! Nun will ich selbst doch gleich einmal hin­gehen und ihr selbst Alles klar sagen!" Die Frau ging und sprach auch mit der Frau Justizräthin, konnte aber mit ihrem geraden, ehrlichen Worte nicht gegen die Fluth der Redensarten aufkommen, womit sie von der Dame überschüttet wurde.Ja, ja Frau Müller, ich werde mein Geld dank­bareren Menschen zuwenden und weder für Sie je einen Pfennig haben, noch für Ihren Jungen im Stifte bezahlen!"Wollen Sie mir das schriftlich geben?"Ja, Sie impertinente Person," rief die Dame wüthend, das will ich Ihnen jederzeit schriftlich geben!"Dann bitte ich darum, Frau Justizrath, ich kann das Schreiben im Stifte vorzeigen, daß ich mein Kind mit Ihrem Wissen fortnehme, das wollte ich doch gern." Frau Müller ging in ihrer Herzensfreude ihr Kind nun endlich fest und gewiß mit sich zu nehmen, direct nach dem Stifte. Es war ein sehr rauher, kalter Tag und es regnete, aber sie achtete dessen nicht. Im Stifte legte man ihr, nach Durchlesung des Zettels, eben keine Schwierigkeiten in den Weg, aber die arme Frau hatte nichts bei sich ihrem Kindchen umzubinden, sie nahm ihr eigenes Tuch ab und hüllte das, Kind hinein. Es fror sie empfindlich, aber was fragte die Mutter danach, wenn nur ihr liebes Kind warm war! So kam sie endlich zu Hause an und erst nachdem sie dem Kinde warme Milch gegeben und es bequem in der Wiege zurechtgelegt hatte, dachte sie daran ihre gänzlich durchnäßten Kleider zu wechseln. Aller Freude war groß, daß der kleine Willy wieder da war, besonders die Großmutter machte sich gleich an der Wiege zu schaffen und weil sie nicht