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wurde denn andern Tages ein Schließkorb mit Aepseln und Nüssen und verschiedenen Sachen gefüllt und Abends durch einen Packträger hingeschickt. Die Freude der guten Leute läßt sich kaum beschreiben! Ein Jeder fand etwas Passendes, einen Wunsch erfüllt. Aber wenn die gütigen Geber sich auch nicht genannt hatten, sie erriethen sie doch! Gertrud hatte sich den Weihnachtsabend so traurig vorgestellt, aber sie fühlte sich innerlich zu­frieden und glücklich und so konnte sie heiter sein mit den Kindern. So erging es auch dem Vater, er war sehr darauf bedacht gewesen seine Kinder zu erfreuen, so daß er in der Kinder Freude die eigene sand.

Der harte Winter war vorüber, der Frühling kam wieder mit seinem frischen Grün, seinen duftenden Blüthen. Die Schwalben schwirrten durch die Luft, und alle die kleinen andern gefiederten Sänger, die Gertrud jedes Jahr im Garten gesehen hatte, waren wieder da und bauten ihre Nester. Da kam das Fliegenschnäpperpaar und die Rothschwänzchen, der Buchfink, die Bachstelze und Meise und die süßen Nachtigallen! Der kleine Willy lernte jetzt das Laufen, das machte Gertrud rechte Freude. Sie hatte das Kind so lieb gewonnen; aber auch Willy hing mit großer Liebe an dem jungen Mädchen. Oft nahm sie das Kind mit zu sich in den herrlichen Garten, und da kamen dann auch Anna, Elfe und Franz und spielten mit dem Kleinen, er war Aller Liebling! Willy's Vater konnte seit längerer Zeit wieder zur Arbeit gehen; Frau Müller wies jetzt herzlich dankend die Unterstützungen ab. Aber für Willy zu sorgen, das ließ sich Gertrud nicht nehmen!

Jahre waren vergangen. Willy war größer geworden, obgleich ver­wachsen von Gestalt, hatte er ein hübsches kluges Gesicht und was dem Körper an Schönheit fehlte, das war ihm reichlich an Geist ersetzt! Er besuchte durch Gertruds Vermittelung eine gute Schule, war die Freude der Eltern und Aller, die ihn näher kannten. Die Frau Justiz- räthin Brühl wurde auf eine eigene Weise an die Familie Müller erin­nert. Als Leonie einst zu einer Bekannten gegangen war und als sie wieder nach Hause ging, war es so glatt aus den Straßen, daß sie kaum vorwärts konnte. Sie mußte am Stifte vorbei, und gerade da fiel sie so unglücklich, daß sie besinnungslos liegen blieb. Da Niemand sie kannte, trug man sie ohne Weiteres in's Stift. Die Arme hatte ein Bein gebrochen und so schlimm, daß sie, auf Befehl des Arztes, einige Wochen still im Stift liegen bleiben mußte. Das war der Frau Justizräthin fürchterlich! Wie gern hätte sie die einzige Tochter bei sich im Hause