226

Ja," antwortete das Korn,du wirst nun schon hier bleiben muffen; aber schicke doch deinen Samen aus; dem steht ja die ganze Welt offen. Meine Heimath ist auch weit von hier; vor vielen, vielen hundert Jahren brachte mich ein wilder Volksstamm aus einem andern Erdtheil mit in dieses Land." Der Wegerich hatte gerade seine lila Blüthensackeln, die so lieblich duften, aufgesteckt; eine davon war kürzlich abgeblüht und die reifenden Samenkörner lauschten aufmerksam der Erzählung des Kornes. Als es schwieg, bestürmten alle die Mutterpflanze mit Bitten, sie los zu lassen, sie seien gewiß schon reif genug, ihr Glück in der Welt zu ver­suchen.Das versteht ihr nicht," erwiderte der Wegerich,ich halte euch fest, so lange ich kann; wenn euch aber der nächste Windstoß von mir abschüttelt, ist das das beste Zeichen der Reife; dann mögt ihr wandern." Der Wind kam; wild brauste er daher, Staub, Blätter und Halme vor sich herwirbelnd; er fuhr über den Wegerich dahin und fröhlich stoben die Samenkörner in alle Weltgegenden auseinander, das eine hierhin, das andere dorthin. Nur ein Körnchen war auf der Landstraße geblieben; das Korn hatte in ihm die größte Wandersehnsucht rege gemacht; weit über's Meer, wohin die Menschen zogen, dahin wollte es auch, jetzt ließ es sich in der Staubwolke weit vorwärts treiben, denn der Wind war die beste Reisegelegenheit. Wie im Fluge ging es weiter ein gutes Stück Weges; da aber kamen große, schwere Regentropfen, die schlugen den Staub und Wind so unbarmherzig nieder, daß beide sich legen mußten, und mit ihnen Alles, was der Wind emporgewirbelt hatte. Das Samenkorn war auf ein Büschelchen dürrer Halme niedergefallen, so nahe am Rande einer kleinen Quelle, daß es immer fürchten mußte, hineinzufallen. Als nun der Regen vorüber war, schlüpfte eine kleine Feldmaus, die sich vor dem Unwetter unter Büschen geborgen hatte, wieder hervor; sie hatte es sehr eilig zu ihren Kindern zu kommen, die schon nach ihr pfiffen; im raschen Vorüberlaufen stieß sie an die dürren Halme, daß sie mitsammt dem Samen­korn hinab in das Wasser glitten. Nun ging die Reise zu Wasser weiter; gar lustig lief die kleine Quelle in ihrem sich leise senkenden Bette immer neben der Landstraße dahin. Das wäre nun eine recht schöne Fahrt für das Samenkorn gewesen, hätte es sich nicht so sehr vor dem Wasser gefürchtet, die unzeitige Feuchtigkeit konnte es ja aufquellen und vielleicht gar zerspren­gen, und dann war es aus mit allen Plänen. Da kam eine Schafheerde des Weges daher; laut bellend sprang der Hund hin und her, die Thiere zusammenzuhalten, aber ein Schaf mochte wohl sehr durstig sein, es