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Post oder Omnibus sofort weiter befördert werden nach Nonnenweier, dem Ziel meiner jetzigen Fahrt. Es ist leider keine derartige Verbindung eingerichtet, ich muß mir, um das Dorf Nonnenweier zu besuchen, einen besonderen Wagen nehmen und heute hat Niemand für mich Zeit, ich muß bis morgen warten.Was soll ich hier den ganzen langen Nachmittag und Abend beginnen?" fragte ich mich. Das war unklug, hätte ich andere Leute gefragt, es wäre klüger gewesen, denn man hätte mich wahrscheinlich aus ein Waisenhaus aufmerksam gemacht, das am Orte ist und das zu sehen mir wichtig gewesen wäre, so aber erfuhr ich nichts. Ich machte mich auf und ging spazieren. Das war gut, denn ich erlebte Allerlei. Erstens interessirte mich ein Sperling, welcher verschiedene Seiltänzer­übungen machte, er benutzte dazu den Telegraphendraht, er marschirte aus und ab, tanzte, hüpfte auf und nieder, dann stand er ganz still, wendete darauf wie lauschend sein Köpfchen rechts und links. Ich machte es wie er. Doch nein, nicht ganz wie er: ich tanzte nicht, hüpfte nicht, stand ja auch auf keinem Seil; aber ich wendete den Kopf rechts und links und lauschte. Wir hörten Musik, der Sperling und ich, sie klang wie Sphärenmusik, wie leise gesungene Engelchöre. Ich habe zwar die Engel noch nicht singen hören; aber ich meinte, so müßten sie singen. Was ist das, Sperling?" fragte ich. Der Sperling sah mich an: Ich weiß nicht ob er mir hätte Erklärung gegeben, wenn er mir hätte ant­worten können. Die Musik kam von Oben, zwar aus den Wolken nicht, aber aus der Luft. Die Telegraphendrähte sangen gleich Aeolsharsen. Guten Abend, meine Gnädige!" sagte plötzlich eine Baßstimme hinter mir. Das hatte weder der Sperling, noch ein wanderndes Telegramm vom Draht herabgerusen. Ich sah mich erschrocken um und erblickte Herrn Schöne am Arm seiner jungen Frau; wir begrüßten uns herzlich.Suchet, so werdet Ihr finden," sprach Herr Schöne weiter;meine Frau hat Sie gesucht, meine Gnädige, sie glaubte Sie in Straßburg zu finden, wohin wir bald nach Ihnen uns gewendet haben, daß wir Sie aber in dem kleinen Dinglingen auf der Straße finden würden, das haben wir nicht erwartet."

Diese Begegnung war mir eine sehr angenehme Ueberraschung und ich wußte nun auch sofort, was ich den Abend anfangen sollte. Wir blieben gleich beisammen, tranken unsern Thee mit einander. Schöne's waren in demselben Gasthause eingekehrt, in dem ich wohnte, ja wir waren Nachbarsleute seit mehreren Stunden, ohne eine Ahnung davon zu