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ihr Gott geschenkt hatte, und das junge Mutterherz dankte es dem Mädchen und es war, als erwarte sie Großes von ihrer Neigung; hatte Elfe doch kindlich, unbewußt, Seelsorge geübt am Sterbebette ihres einsamen Groß­vaters, sie war vielleicht berufen zum bewußten Dienste bei der Entwickelung ihrer kleinen Kinder, deren Seelen jetzt noch wie im Schlummer lagen. Die junge Gräfin hatte Elfe an ihrem Confirmationstage das silberne Kreuzchen geschenkt mit der Inschrift:Lasset die Kindlein zu mir kommen," weil sie wußte wie glücklich Elfe einst unter Leitung der frommen Schwester Johanna gewesen war und sie sagte mehrmals zu Elfe:Bete für meine Kinder, damit sie zum Heiland gehen bei Zeiten, wie Du." So hatte sich Alles vorbereitet, daß in Elfe, als die junge Gräfin gestorben war, ein kühner Gedanke aufsteigen konnte. Es war wohl wunderbar: Manches Mädchen hätte wie sie mitleidig auf die verwaiseten Kleinen geblickt und Thränen neben ihnen vergossen; aber Elfe? Elfe dachte dabei:Die armen Kinder, ihre Mutter haben sie verloren und sie haben keine Schwester Johanna!" Diesem Gedanken war sofort der andere gefolgt:Vielleicht kann ich für sie eine Schwester Johanna werden!"

Kühn war der Gedanke in dem fünfzehnjährigen Vauermädchen aller­dings, die kleinen Töchter des reichen Grafen Herbart konnten die besten Erzieherinnen haben und Elfe, die selbst nur eine Bildung erhalten wie sie die Dorfschule giebt, wagte die Meinung in sich aufkommen zu lassen, sie könne eine Bedeutung bei Erziehung der kleinen Mädchen gewinnen! Es war kein recht klares Bewußtsein in ihr über die Sache, sie fühlte nur in dem Augenblick, da sie am Begräbnißtage der Gräfin allein vor den mutterlos gewordenen Kindern stand, was das sei ein Mutterherz zu verlieren, und sie wußte auch was an ihr selbst Schwester Johanna gethan hatte, daß sie ihr eine Mutter gewesen war.

Der plötzlich erwachte Gedanke blieb wach in Else's Seele, so wach, so thätig, daß er viele, viele Gedanken nach sich zog. Elfe besorgte die Reinigung der Kinderstube, sie besorgte das Badewasser, die warme Wäsche, die Milch, die Mittagssuppe für die Kinder; die vornehme Kinderfrau unter­suchte nur Alles und nickte mit dem Kopfe, wenn sie es richtig besorgt fand. Aber mit dieser Körperpflege leistete Elfe noch nicht Johanna's Pflege der Kinder in der Spielschule, denn das war Seelenpflege gewesen.Nun, dazu ist auch noch Zeit, so kleine Wesen brauchen wohl keine besondere Seelen­pflege," dachte Elfe.Aber was soll ich denn machen, wenn die Kleinen älter sind?" fragte sich Elfe.Was ich dann machen soll, das muß ich