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Elfe wußte nicht, was sie mit ihrer Freiheit anfangen sollte. Sie hatte eben keinen anderen Gedanken als den Schmerz, sich von den Kin­dern trennen zu müssen, die ihr säst wie ihr Eigenthum vorkamen. Das war wohl sonderbar, doch es war so; in ihrem Herzen, ganz unbewußt, hatte sich die Meinung festgewurzelt, daß sie den kleinen mutterlosen Kindern Alles sei, was eine Fremde sein könne, daß sie sie lieb habe wie sonst kein Mensch auf Erden, und daß Gottes Gnade ihr dazu verhelfe ihnen als eine Schwester Johanna zu dienen.

Was sagten nun die Kinder zu der bevorstehenden Trennung?

Die Kinder hatten von der Mama, die ihnen der Papa versprochen hatte, schöne Wachspuppen bekommen: ein Nothkäppchen und ein Schnee­wittchen, dazu einen Wolf und sieben kleine Zwerglein. So einer gütigen Mama konnte man schon mit Jubel entgegensehen! Else sollte sich mit den Kleinen freuen und sie that es auch, von der Trennung wurde gar nicht gesprochen. Else war angewiesen ihre Thränen im Verborgenen zu weinen.

Else hatte viel gelernt, um lehren zu können, nun mußte sie aber etwas Neues für sich allein lernen, das war eine schwere Aufgabe. Eine innere Stimme sagte ihr: Du mußt lernen, daß die Liebe nicht Gegen­liebe verlangen soll, erweckt Liebe Gegenliebe, so ist es ein Geschenk, das man empfängt, denn Liebe ist eine freie Gabe. Durch einen rechtschaffenen Lebenswandel kann man Achtung gewinnen; Liebe gewinnt man zwar gewöhnlich damit auch, aber sie ist nicht die natürliche Folge. Die Kinder hingen mit großer Zärtlichkeit an Else; aber sie waren so jung und der leichte Sinn des Kindesalters herrschte vor, sie dachten wenig daran, daß sie Else fortan entbehren würden.

Else mußte aber noch etwas anderes Neues lernen, das war ihr eine noch schwerere Aufgabe. Sie dachte: Wer wird nun den armen Kindern eine Schwester Johanna sein? Wer wird streben sie zu Kindern Gottes zu machen? Wer wird ihnen den Gedanken fest einwurzeln helfen, daß sie sich als Neben des Weinstockes fühlen sollen?

Ihre innere Stimme sagte auf diese Fragen mit Strenge: -Ei, Du eingebildete Else, meinst Du, der liebe Gott habe Niemand als Dich, um die verwaiseten Kleinen, denen er die Mutter genommen hat, leiten zu lassen? Freue Dich, daß der liebe Gott Dich bisher hat brauchen können, jetzt sei demüthig und erkenne, daß Du nicht ausreichen kannst zur Fort­bildung der Grafenkinder."