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mit den kleinen Händchen nach der Rose auf der Theekanne und jauchzte. Dem Vater aber, der es sah und hörte, lachte das Herz vor Vergnügen. Er drehte die Theekanne nach der andern Seite und mit neuer Lust und freudigem Lallen zeigte Dora auf die bunten Schmetterlinge und den Goldkäfer. Jetzt rief der Vater die Mutter herbei und beide drehten nun bald die Rose, bald die Schmetterlinge heraus und jauchzten mit dem Kinde um die Wette, und es standen ihnen die Thränen in den Augen vor Freude. Der Vater aber sprach:Dora muß ein Bilderbuch haben!"

Und er brachte ein schönes mit. Die Theekanne aber behielt dennoch ihre Rechte: denn während das Bilderbuch bald ganz zerrissen war, blieben Rose und Schmetterlinge auf der Theekanne immer frisch und schön. Dora wurde nun erst recht ihre gute Freundin, und jedesmal wenn die Theekanne ins Zimmer gebracht wurde, langte sie schon von Weitem mit den kleinen Armen nach ihr.

Beinahe wäre nun die Theekanne in Pension gesetzt worden, denn als Dora ein Jahr alt war, trank sie keinen Fenchelthee mehr unter der alltäglichen Milch". Aber sieh! Da bekam Dora ein kleines Brüderchen und nun ging der Dienst der guten Theekanne bald wieder an, und sie war getreu und unermüdlich Tag und Nacht. Als sie nun so oft still über der Lampe stand, fing sie an das Singen zu lernen, und es war oft stundenlang an der Wiege nichts Anderes zu hören, als ihr leises Singen und etwa die klappernden Stricknadeln der Kinderfrau, die auch mit an der Wiege saß. Beide gehörten sozusagen zu einander, denn die Thee­kanne konnte nicht ohne die Kinderfrau, die Kinderfrau aber auch nicht ohne die Theekanne bestehen. So hatte letztere immer vollauf zu thun, bis das Nestchen voll war und sechs lustige Vöglein um den Tisch herum­saßen. Man sah es ihr aber auch an, der armen Theekanne, wie ihr schwerer Beruf und die vielen Nachtwachen sie angegriffen hatten! Mit der Rose und den Schmetterlingen ging es noch, die waren nur wenig verblaßt, aber das Gold, das sie zierlich umrändert hatte, war fast ganz abgewaschen und hier und da hatte sie manche kleine Narbe, denn wenn es bei den vielen Kindern oft tüchtig zu thun gab, hatte man sie zuweilen hart zur Arbeit angetrieben und ihr manchen Stoß versetzt. Das war gewiß sehr ungerecht, denn sie war ja immer willig, wenn man sie nur richtig anstellte, und obgleich sie manchmal aus Aerger über diese Behand­lung hätte zerspringen oder vor Hitze platzen mögen, so that sie es doch nicht und erfüllte nach wie vor mit derselben Ruhe, was ihr geheißen.