274

deuten. Dora, welche damals schon ein ziemlich großes Mädchen war, schenkte ihm schnell eine Tasse heißen Thee ein, und nachdem der Groß­vater mit Mühe einige Schlucke davon genommen, ward es ihm wenigstens so viel besser, daß er wieder sprechen konnte. Er ward nun zu Bett gebracht. Die Theekanne bekam ihren Platz auf einem kleinen Tischchen neben seinem Bett und sie war säst die Einzige, welche dem guten alten Herrn eine Labung bieten konnte, denn der heiße Trank that ihm allemal wohl. Wenn daher die Theekanne nicht an ihrem Platze war, wurde der Kranke unruhig, er mußte immer ihr leises Singen hören; er sagte oft, daß dasselbe ihn beruhige, wenn er in der Nacht nicht schlafen könne, und daß es freundliche Bilder vergangener, glücklicher Tage in ihm hervorrufe.

So verwaltete denn die Theekanne ihr Amt am Bett des Kranken, ein wahrer Trost für die Pflegenden, bis eines Tages Dora's Mutter sie weinend aus dem Krankenzimmer trug.

Er hat die Theekanne so gern summen hören," sagte sie,nun hat sie ihm das letzte Schlummerlied gesungen, das Wiegenlied für eine künftige Welt!"

Der gute Schwiegerpapa war in der Nacht gestorben.

Jetzt stand die Theekanne lange im Schrank und Niemand kümmerte sich um sie. Da holte sie eines Tages die Mutter wieder hervor. Sie wickelte sie in feines Seidenpapier, wie damals, als die alte Theekanne noch jung und schön war. Das that der Theekanne ganz wohl. Sie wurde so im schützenden Arm ihrer Herrin über die Straße weggetragen. Das war ihr lange nicht passirt und neugierig blickte sie um sich, als sie endlich enthüllt wurde. Da stand sie in einem schönen, glänzenden Zimmer, wo Alles neu war. Aus einem offnen Geschirrschranke blitzte im Sonnen­schein prachtvolles Meißener Porzellan mit reichen Goldrändern, so daß die arme Theekanne im Gefühl ihrer Unscheinbarst ganz demüthig dastand. Im Zimmer aber war Dora o, wie groß, wie blühend war sie ge­worden, seit die Theekanne sie nicht gesehen! Neben ihr stand ein großer, hübscher Herr, den die Theekanne nicht kannte und der Dora sehr freundlich ansah. Die Mutter aber sprach:Ein altes Familienstück wollte ich Dir unter Deinen neuen Hausrath geben, Dora! Ein Stück, wobei Du an Deinen Großvater, an Dein elterliches Haus, an Deine Kindheit denkst! Hier, nimm die alte Theekanne sie hat Manches mit uns durchgemacht und wird Dich oft an uns erinnern!"