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fertig machen lassen. Sobald meine Koffer ankommen, werde ich es sogleich auspacken und anprobiren."

Ein tiefer Seufzer der Mutter unterbrach den Redefluß Viola's. Sie blickte auf und sah jetzt wohl, da die Rothe der Erregung aus den Wangen der Mutter gewichen war, daß diese auffallend bleich aussah, bleicher noch als sonst.

Ach Gott, Mama, liebe Mama, ich sehe, daß Du recht leidend bist," sagte Viola plötzlich betroffen.

Ja, mein Kind," erwiderte die Mutt^, Du hast Recht." Dann stand sie auf und küßte ihre Tochter auf die Stirn und dabei brach ein Thränenstrom aus ihren Augen.Armes, glückliches Kind!" rief sie und wandte sich ab, nach dem Klingelzug greifend.

Viola ging mit Lisette, die ihr beim Umziehen behilflich sein sollte, in ihr eigenes hübsches Zimmer, wo sie Alles in reizender, einladender Ordnung fand.Die Mama ist krank; so reizbar, so eigenthümlich habe ich sie nie gesehen," dachte Viola bei sich,deshalb sind auch die Andern so verstimmt. Ich muß nur einmal mit Curt reden, was nun aus unserm Balle werden soll. O weh, mein schönes Kleid!"

Bald vergaß Viola indeß vor ihrem Spiegel, der ihr ihr frisches, blühendes Gesicht zeigte, und unter Lisette's Plaudereien, die vielerlei zu erzählen hatte, ihre trüben Befürchtungen, und lustig hüpfend und trillernd folgte sie dem Rufe der Tischglocke, welche die Bewohner von Schönlinde in den kühlen Gartensalon zur Mittagstafel rief.

Aber das Mahl war nicht heiter. Die beiden älteren Herren führten ein gelehrtes Gespräch über Erbschaftsangelegenheiten, in welchem eine Menge lateinische Worte vorkamen; die Mama, die keinen Bissen, hörte ihnen mit gespannter Aufmerksamkeit zu und auch Curt hatte keinen Scherz, kein fröhliches Wort für die heimgekehrt Schwester.

Wie eine Ahnung kommenden Leides schien es über den Gemüthern dieser bisher so glücklichen Menschen zu schweben. Ein noch unsichtbares, verschleiertes Unheil saß mitten unter ihnen, jeden Augenblick bereit, seinen Schleier zu lüften und fein Antlitz zu enthüllen.

Als die Familie beim Kaffee saß, meldete der Diener die erwarteten Gäste.

Mr. Lee und Miß Steinthal."

Willkommen! Hier herein!" befahl der Hausherr.

Es schien Viola, als fei das Antlitz ihrer Mutter um einen Schein