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Tages einmal ohne Schulmappe nach Hause gekommen. Warum? Auf einem Kirchplatze, den sie auf ihrem Schulwege passiren mußte, hatte sie eine große Anzahl Knaben im wüthendsten Schnellballgefechte angetroffen. Das sehen, die Mappe hinstellen und sofort thätig eingreifen, das war alles eins. Darüber wurde Schule, Mittagbrod, Mappe Alles ver­gessen, und erst, als sie ganz erhitzt und glühend, Haar und Kleider in größter Unordnung, nach Hause kam, kehrte die Erinnerung daran zurück. Die Mappe war freilich verloren, und der Vater sah sich auch genöthigt, eine etwas strenge Strafe zu dictiren.

Gestern Abend beim Zubettgehen hatte sie von der Mutter noch eine recht ernste Mahnung hinnehmen müssen, denn Frau Barbara war nicht ohne Besorgniß, da solche Partie die schönste Gelegenheit zur Ausübung aller möglichen Tollheiten bot. Es war auch noch in jedem Jahre etwas vorgekommen. Julie aber hatte die größte Folgsamkeit gelobt, hatte sich's auch wirklich selbst ernsthaft vorgenommen, ihr Gelöbniß zu halten. Und jetzt noch im Wagen gingen ähnliche Gedanken durch ihre junge Seele, da die Mutter ein besorgtes Wort über den Ungestüm bei dem Aufbruche von Hause nicht hatte unterlassen können.

Nun, wir werden ja sehen.

Bis jetzt können wir noch eben so ruhig darüber sein wie die Mutter, denn die ökonomische Engigkeit des Wagens gestattet nicht die geringste Ausschreitung. Julchen ist gezwungen, so ehrbar zu sitzen, wie eine alt­verständige Person es nicht ehrbarer fertig bringen würde..

Nur Lottchen nimmt sich die Freiheit, alle vorübergehenden Stammes­genossen von dem bellenden Geschlecht wüthend anzukläffen. Der Getreue weiß sich im Wagen nämlich sicher. Stände er auf seinen vier krummen Beinen draußen auf dem Trottoir, dann würde er sich schön hüten, mit anderen Hunden anzubinden, sondern mit eingezogenem Schwänze sich still zur Seite drücken; denn in Hinsicht des persönlichen Muthes ist es bei ihm nicht weit her.

Jetzt bog der Wagen in die Hauptstraße ein und rollte nach wenigen Minuten durch den breit auf dem Schloßplätze lagernden Morgen­sonnenschein.

Die imposante Majestät des Schlosses, den hellen, freundlichen Lust­garten mit dem Dome und dem Museum im Hintergründe, die prächtige Schloßbrücke, das weite Rund des Opernplatzes mit seinen Prachtgebäuden und Standbildern, die großartige Lindenperspektive das Alles sahen