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denn weiter oberhalb macht das Flußbett eine Krümmung und entzieht sich der Beobachtung. Kurz zuvor aber ragt noch eine bedeutende Land­zunge in das blaue Wasser hinein, die auf ihrer Spitze eine Säule trägt.

Ein gutes Auge würde oben auf der Säule ein Kreuz und etwa in der Mitte ihrer Höhe einen runden Schild, wie ihn die alten heidnischen Krieger trugen, entdecken können. Wir persönlich sehen das von unserem Standpunkte aus leider nicht, denn wir sind sehr kurzsichtig.

Der Fluß, welcher sich hier seeartig verbreitert, ist die Havel. Wir stehen angesichts jener Stätte, von welcher die Sage erzählt, daß der heidnische Wendenfürst Jaczo, von dem Christenheere geschlagen und ver­folgt, hier mit seinem Streitroß sich in den breiten Fluß stürzte, um hinüber zu schwimmen. Schon begann so berichtet die Sage das Roß zu sinken, da erhob der Heide die Hände zu dem Gotte der Christen und gelobte Christ zu werden, wenn er ihn retten würde, denn von seinen Göttern sah er sich schmählich verlassen. Kaum hatte er dies Gelübde gethan, da faßte das Roß Boden und landete an jener Landzunge da drüben, welche zum Andenken an jene merkwürdige Bekehrung des Jaczo mit der Säule geschmückt ist, die den wendischen Schild und das christliche Kreuz trägt.

Schildhorn" nennt das Volk diese Landzunge in der Havel; die Insel, auf welcher wir selber stehen, heißt derPichelswerder", und das hohe, bewaldete Ufer zu unserer Linken, das sind eben die berühmten Pichelsberge". Und auch über diese Berge läßt Mutter Krause als sachkundige Geographin und gute Patriotin keine schlechten Witze machen.

Das also sind die Pichelsberge, das Eldorado Tausender von Nesidenzbewohnern, die aus den Straßen fürchterlicher Enge auf einen Tag hinausfliegen können in's Freie, um ihre Sehnsucht nacheinem Happen frischer Luft" zu stillen. Freundliche Häuser liegen unter grünem Buschwerk hart am Wasser, Restaurants und Bierwirthschaften, auch ein­fache Fischerwohnungen, die jedoch ebenfalls sämmtlich zur Aufnahme der Nesidenzler eingerichtet und mit dem, was des Leibes Nahrung und Noth- durft erfordert, reichlich versehen sind. Lustiges Jauchzen schallt herüber, eine Menge Gondeln schießen auf dem blauen Spiegel her und hin und erregen bisweilen selbst das stumme Erstaunen der Schwäne, die wenige Schritte von uns am Ufer stehen und ihr weißes Gefieder glätten.

Da wären wir also glücklich in den Pichelsbergen! Und ein heißer Tag war's. Glühend strahlte die Sonne von dem wolkenlosen Himmel