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Drinnen im Zimmer auf einem Stuhle am Fenster sitzt Frau Bar­bara, leichenblaß, wie eine Bildsäule, und blickt mit brennenden Augen starr vor sich hin. Ihre Hände haben sich um den Kopf des kleinen Karl geschlungen, welcher in ihrem Schoße schlafend ruht. Neben ihr sitzt Franz, angstvoll bald die Mutter anblickend, bald nach dem Fenster hinlauschend. Mit keinem Worte wagt er mehr den starren Schmerz der Mutter zu unterbrechen. Auch die mitleidige Frau vom Hause hat endlich kopfschüttelnd von ihren Trostesversuchen abgelassen, nachdem sie sich überzeugt, daß bei der ihr wohlbekannten Frau Geheimsekretärin Alles vergeblich ist.

Julie ist verschwunden.

Noch mit den letzten Bissen ihres Butterbrodes einen siegreichen Kampf bestehend, war sie aus der verdeckten Laube, in welcher Alle saßen, hin- ausgeschlüpft auf den kleinen Wiesenplan hinter dem Hause. Die Mutter, nun vollauf mit der Zurüstung zur Heimfahrt beschäftigt, hatte es nicht bemerkt. Auf der Wiese fand Julie eine Schaar wilder Knaben, welche mit Mützen, Taschentüchern, ausgezogenen Jacken und Röcken eine wüthende Hetzjagd auf Schmetterlinge eröffnet hatten. Das sehen und mit hoch­flatterndem Taschentuchs sofort dazwischenfahren, war das Werk eines Augenblickes. Die unbändige Wildheit, die den Eltern schon so manchen Kummer bereitet, loderte in dem Kinde plötzlich in helle Flammen auf. Eltern und Brüder, Haus und Wagen waren vergessen und all' ihre Sinne nur von dem einen Gegenstand erfüllt, den ihr Auge in dem wilden Getümmel endlich erfaßt hatte.

Das war ein großer, buntfarbiger Falter, der gaukelnd von Blume zu Blume schwebte, aufgescheucht hoch im Bogen emporschoß, um dann einige Schritte entfernt das Spiel von Neuem zu beginnen. Hinter ihr lagen Wiese und Haus, hinter ihr tobten die wilden Knaben, sie achtete dessen nicht, sie sah nur den Schmetterling und verfolgte ihn von Blume zu Blume, von Busch zu Busch, von Baum zu Baum. Sie kam in den Wald und bemerkte es nicht, die Sonne sank tiefer und die Schatten wurden länger und länger, sie bemerkte es nicht. Leise zog die Däm­merung zwischen den Stämmen daher, und noch immer ging die Jagd rastlos kreuz und quer, sie erreichte den Falter nicht.

Auf einmal war er fort, ihre Augen sahen ihn nicht mehr. Hoch- aufathmend, fast weinend über die Enttäuschung, stand sie und strich das wirr flatternde Haar aus der glühenden Stirn. Plötzlich zuckte es wie