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Nur vor zwei Jahren, unmittelbar nach jener verhänguißvollen Fahrt nach den Pichelsbergen, war das nicht so gewesen. Da blieb das Fenster wochenlang geschlossen.

Julchen lag krank, schwer krank, und es waren Tage gekommen, wo der Arzt bedenklich das Haupt geschüttelt hatte. Aber der liebe Gott hatte das Gebet der fast verzweifelnden Mutter erhört, den Jammer des Vaters gnädig angesehen das Kind war genesen, langsam wieder zu Kräften gekommen und allmälig rosiger aufgeblüht denn je.

Sonst hat sich in diesen zwei Jahren wenig geändert. Der Vater kommt noch immer am Spätnachmittage zum Mittagessen nach Hause und seufzt über die große Stadt Berlin, die, obwohl sich der Mensch an Alles gewöhne, doch dazu nun eigentlich zu groß geworden sei.

Das Dickerchen spricht dann noch immer das Tischgebet. Aber es ist nun schon eine wichtige Person im Staate, denn an seinem letzten Geburtstage hat Karl eine Mappe bekommen und Fibel und Tafel und wird nun nächstens in die Schule gehen. Nur noch höchst selten läßt er sich von Lottchen zu einer wilden Jagd im Zimmer verführen, und den EhrentitelDickerchen" nimmt er bisweilen sogar schon übel.

Franz hat sein Griechisch und Latein vollständig absolvirt. Er studirt jetzt Rosinen und Mandeln, das will sagen, er ist seit Kurzem bei einem Konditor in die Lehre getreten, und darf da vorerst, damit auch er sich nach des Vaters Ausspruche an Alles gewöhne, so viel von dem süßen Zeuge essen, als er mag. Sein Lehrmeister meint lachend, er würde wohl bald genug davon haben.

Und Julchen? Was alle Bitten und Ermahnungen der Eltern nicht bewirkten, das vollbrachte jener schreckliche Tag. In der Todesangst, welche das verirrte Kind überfallen, traten die mahnenden Worte der Eltern vor seinen Geist, wie mit Flammenschrift geschrieben, und diese Schrift prägte sich tief, unauslöschlich tief in das junge Herz. Frau Barbara, welche still in ihrer Häuslichkeit wirkt und schafft, schließt das fleißige und still sittsame Mädchen jeden Abend liebevoller an ihr Herz, wenn sie ihm den Gutenachtkuß auf den Mund drückt.

Und Mutter Krause, die große Geographin? Muß aufrichtig bedauern! Aber als wahrheitsgetreuer Chronist dürfen wir diese sehr ehrenwerthe Dame in dieser Geschichte nicht wieder auftreten lassen. Es ist aber sehr möglich, sogar sehr wahrscheinlich, daß Mutter Krause nächstens einmal in höchst eigener Person selbst eine Landpartie macht.