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schöne Ballade von Schiller:Die Bürgschaft". Wäre Möros eine Viertelstunde, ja nur einige Minuten später auf dem Richtplatz erschienen, wäre es da nicht um das Leben seines Freundes geschehen gewesen, und hätte Dionys dann erkennen können, daßdie Treue doch kein leerer Wahn sei?" Das Gedicht schließt mit diesem Bekenntniß des Tyrannen; wer aber vermag zu sagen, welch' einen dauernden Einfluß diese schöne Erfahrung auf Dionys' Herz geübt haben mag, und wie segensreich die Folgen davon für seine Unterthanen gewesen sein mögen?

Eine andere Ballade desselben Dichters erzählt uns wieder, wie ein unbesonnenes Wort, beim Anblick eines vorüberziehenden Kranichheeres ge­sprochen, die Mörder desJbykus" verrieth, und damit die gerechte Strafe seiner schwarzen That auf sein und seines Mitschuldigen Haupt herab beschwor.

Laßt mich Euch noch einige Beispiele aus dem gewöhnlichen Leben, als Beweise für die Wichtigkeit kleiner Dinge, anführen.

Eine Stecknadel war die Veranlassung, einen unbemittelten jungen Mann in den Besitz eines ansehnlichen Vermögens zu bringen. Ein alter, reicher, kinderloser Mann versammelte nämlich einst alle seine Ver­wandten bei sich, um sich einen Erben unter ihnen zu wählen. Da geschah es denn, als er im Gespräch mit einem jungen Neffen im Zimmer auf und nieder ging, daß dieser sich bückte, um eine Stecknadel aufzuheben, welche auf dem Fußboden lag. Diese kleine, unbedeutende Handlung gewann den alten Herrn sogleich; erdachte:Wer das Kleine achtet, wird das Große gewiß zu schätzen wissen" und der Jüngling wurde sein Erbe.

Ein Schwefelhölzchen, oder vielmehr der Mangel eines solchen, hätte einer Frau beinahe das Leben gekostet. Doppelt schrecklich wäre das Unglück gewesen, weil der Sohn dieser Frau dabei schuldig war. Frau Willmer hatte einem armen Knaben, der an ihrer Thüre Schwefelhölzer feilbot, einige Tausende davon für wenige Groschen abgekauft. Jakob, ihr achtjähriger Sohn, bemächtigte sich ihres Einkaufs und fand ein kin­disches Vergnügen daran, die Schwefelhölzer in den brennenden Ofen zu werfen und das Aufflackern ldes Feuers zu beobachten. Frau Willmer machte ihn darauf aufmerksam, daß die Hölzer zum nützlichen Gebrauch und nicht zum Spielen da wären, Jakob aber meinte:Hundert Stück kosteten ja nur wenige Pfennige" und setzte sein Spiel fort. Frau Willmer ließ ihm eine Anzahl Schwefelhölzer, legte die übrigen in ein Kästchen, das auf ihrem Nachttische stand, und ging dann hinaus um