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einige häusliche Geschäfte zu besorgen. Jakob konnte aber der Versuchung nicht widerstehen, noch einige und dann wieder noch mehr Schwefelhölzer aus dem Kästchen zu nehmen, bis er zuletzt alle verbrannt hatte.

Frau Willmer legte sich Abends zu Bett, ohne den Ungehorsam ihres Sohnes zu ahnen. Sie war noch nicht lange eingeschlafen, als heftig an ihrer Thürklingel gezogen wurde. Erschrocken fährt sie auf und will das Licht anzünden, aber kein Schwefelhölzchen ist in ihrem Kästchen zu finden! Sie wirft eiligst im Dunkeln ihre Kleider über,' denn schon klingelt es zum zweiten Mal, lauter als zuvor. Tappend geht Frau Willmer nach dem Hausflur um zu öffnen, sie tritt aber fehl und stürzt die Treppe hinunter. Unterdessen ist Jakob, erwacht und eilt auf ihren Hilferuf herbei. Mühsam findet er seinen Weg die Treppe hinunter, hier aber stolpert er über die auf dem Boden liegende Mutter und stößt mit dem Kopfe heftig gegen die Thüre. Draußen ruft eine angstvolle Stimme:Um Himmelswillen, Frau Willmer, machen Sie auf! Mein Kind ist an der Bräune erkrankt, ich muß zum Doktor eilen, aber ich kann das kranke Kind nicht allein lassen. Seien Sie so barmherzig und kommen Sie zu mir herunter!"

Weinend versucht Jakob die Thüre zu öffnen, es gelingt ihm nicht sogleich, aber doch endlich, und die Frau Nachbarin beleuchtet nun das klägliche Bild der noch immer am Boden liegenden Mutter und des wei­nenden Knaben mit der blutigen Stirn! Der Lärm und das Gepolter hatten indessen mehrere Nachbarn herbeigeführt. Einer von ihnen erbot sich sogleich freundlich, den Doktor zu rufen. Die Mutter des kranken Kindes kehrte zu demselben zurück, während die übrigen Nachbarn Frau Willmer aufhoben und in ihr Bett trugen. Der Schmerz, den sie dabei empfand, weckte sie aus ihrer tiefen Ohnmacht und preßte ihr einen Wehruf aus, der Jakob zwar von der tödtlichen Angst um das Leben seiner Mutter befreite, ihm aber auch zugleich anzeigte, daß sie bei dem Sturz wirklichen Schaden erlitten hatte. Der herbeigerufene Arzt fand denn auch ein Bein gebrochen und einen Arm stark verstaucht. Jakob's Verletzung war nur unbedeutend, aber desto größer sein Schmerz über den Unfall seiner Mutter. Mußte er sich doch sagen, daß wenn er nur einige Schwefel­hölzchen übrig gelassen hätte, das Unglück nicht geschehen wäre!

Mit Gottes und des geschickten Arztes Hilfe wurde Frau Willmer zwar glücklich wieder hergestellt, aber wochenlang mußte sie das Schmer- zenslager hüten und wenn die freundlichen Nachbarinnen ihr nicht bei­gestanden hätten, so wäre ihr Zustand ein äußerst trauriger gewesen.