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Marie. Und ich erst! Ich kann es kaum erwarten bis er da ist. Es muß doch gar zu hübsch sein wirklich und leibhaftig einen Bruder zu haben; wie oft schon habe ich Pastors Matchen und Minchen um ihre vielen Bruder beneidet.

Sophie. Du sprichst als ob er erst vom Himmel herunterfallen sollte und doch ist er älter als wir. Aber freilich wir wissen kaum wie es ist einen Bruder zu haben, da er so viele Jahre hindurch in Amerika war und wir ihn in der ganzen langen Zeit nicht ein einziges Mal sahen.

Marie. Es war eine merkwürdige Idee von Onkel Walter unsern Fritz gleich nach Papa's Tode mit nach Boston zu nehmen und ihn dort zu erziehen. Als ob es hier in Deutschland nicht mehr wie zu viel Schulen gäbe.

Sophie. Ja, Schulen freilich giebt es genug, aber Onkel meinte, eine alleinstehende Frau, wie unsere Mama, könne nicht gut einen Knaben beaufsichtigen und die Kinder würden dort weit praktischer erzogen, das heißt sie lernten früher und besser arbeiten und Brod erwerben. Nun, ich bin neugierig, ob Fritz auch schon Schätze gesammelt hat.

Marie. Am Ende hat er auch einen Goldklumpen gefunden, wie Robinson. Aber nein! Mama sagt, die liegen jetzt auch dort nicht mehr so am Wege umher. Ich denke aber doch, daß uns Fritz etwas Hübsches mitbringen wird, vielleicht ein Lama oder Papageien, oder gar einen Affen. Ach, das wäre gar zu schön!

Sophie. Du denkst doch immer gleich an's Mitbringen, und mir scheint man brauchte nicht allzulange zu suchen, um auch bei uns Aeffchen und Papagei und zwar in einer Person vereinigt zu finden.-

Wissen aber möchte ich doch, wie der Bruder eigentlich aussieht, ich kann mich gar nicht mehr so recht auf ihn besinnen.

Marie. Er wird doch nicht gar wie ein Indianer oder wie so ein halber Wilder aussehen? Es ist mir ganz unheimlich, wenn ich daran denke.

Sophie. Was Du auch für Unsinn schwatzest! Du glaubst wohl gar, er habe sich tättowiren lassen.

Marie. In Amerika ist alles möglich und so viel weiß ich im Vor­aus, ich erkenne ihn nicht.

Sophie. Kann wohl sein, Du warst ja auch noch ein ganz kleines Ding, als ihn der Onkel mit fortnahm. Mich hatte Fritz immer zum Besten und ließ meine armen Puppen nie in Ruhe, ich ging damals noch