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Martha für einige Jahre zu überlassen. Meine jüngste Schwester, die, wie Du weißt, meine Anstalt verlassen hat und nun zu Hause ist, könnte sie bis zu ihrer Einsegnung unterrichten, und später wollen meine Eltern ihr Gelegenheit geben, recht gründlich die Haus- und Landwirthschaft zu erlernen, damit auch sie einmal auf eigenen Füßen stehen kann. Liebe Marie, willst Du uns diese beiderseitigen Bitten gewähren?"

Die Mutter war tief bewegt, sie faltete die Hände zu einem stillen Dankgebet. So war nun für die Zukunft ihrer Kinder gesorgt, die drei jüngsten konnte sie wohl noch von ihrem Wittwengehalt selber ernähren. Sie umarmte ihre Freundin dankend, auch Gretchen schmiegte sich an die freundliche Tante, und die dreizehnjährige Martha sprach laut ihr Ent­zücken darüber aus, daß sie in das freundliche Pfarrhaus von Höfendorf zu Tante Anna's Eltern kommen solle.

Nun, liebe Marie," sagte Frau von Klüz darauf,möchte ich Dich noch bitten, mir Gretchen gleich heute mitzugeben. Die Sommerferien sind zu Ende, der Unterricht hat vor einigen Tagen wieder angefangen und es wäre gut für Gretchen, wenn sie gleich an demselben theilnehmen könnte."

Gretchen wurde ganz blaß vor Schreck, an einen so nahen Abschied hatte sie nicht gedacht, es schien ihr unfaßlich, daß sie sich schon heute von der geliebten Mutter, von den theuren Geschwistern trennen solle. Sie blickte ihre Mutter flehend an, aber diese erfüllte die stumme Bitte nicht, sondern als Tante Anna freundlich erklärte, daß sie gern noch einige Zeit warten wolle, wenn der Mutter diese plötzliche Trennung nicht recht sei, erwiderte die Frau Pastorin:Nein, liebe Anna, wir wollen nicht länger warten, ich will Dir gern meine Tochter schon heute übergeben. Ein weiterer Aufschub könnte uns Allen nichts nützen, und Gretchens Sachen werden schnell gepackt sein."

Und wenn etwas daran fehlt, so werde ich es anschaffen," sagte Frau v. Klüz rasch, Gretchen aber warf sich weinend an den Hals ihrer Mutter. Jedes andere Gefühl ihres Herzens verschwand vor dem tiefen Trennungsweh, das sich wie eine schwere Last auf ihre junge Seele herab- senkte.-

Tante Anna nahm an dem einfachen Mittagessen der Familie Theil, und nach demselben ging Gretchen mit ihrer Schwester in das Dorf, um noch einige Abschiedsbesuche zu machen. Mit gerötheten Augen kam sie zurück, sie hatte soeben am Grabe ihres theuren Vaters gestanden und