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Und ich Dich auch!" sagte die Mutter weich und streichelte leise die blaffen Wangen ihrer Tochter.Ich werde mich nach Dir sehnen und Du wirst unter so vielen Menschen bitteres Heimweh haben und Dich bei Deiner großen Schüchternheit nicht so leicht wie manche Andere in das Pensionsleben hineinfinden können. Aber Gott will es so, mein theures Kind! Dieser Gedanke wird uns Beiden Trost und Stärke geben. Suche den Herrn und sein Wort, wenn Dir bange um das Herz ist, er wird Dich nicht verlassen und versäumen. Und bleibe still und demüthig, mein Kind! Die Demuth wird Dich am besten vor Deiner Empfindlichkeit schützen. Gott widersteht den Hoffährtigen, aber den Demüthigen giebt er Gnade!"

Das war eine recht schwere Abschiedsstunde, als der Wagen nun wieder angespannt war und Gretchen mit Tante Anna fortfahren mußte. Es war ihr, als ob das Herz ihr brechen solle! Die Geschwister weinten und jammerten, daß sie ihr liebes Schwesterchen, das immer so freundlich und sanft gegen sie gewesen war, nun fortlassen mußten, und auch die Mutter konnte ihre Thränen nicht zurückhalten.

Gretchen weinte noch eine ganze Weile still vor sich hin. Frau v. Klüz störte sie darin nicht, sie wußte, daß die Thränen ihr schweres Herz er­leichtern würden. Sie fuhren ungefähr eine Meile bis nach der Eisenbahn, von wo sie nur zwei Stationen bis zu dem Dorfe Mockrau zurückzulegen hatten.

Von der letzten Station an waren sie allein im Coup«. Gretchen war nun etwas ruhiger geworden und konnte mit Tante Anna sprechen, die ihr von den Einrichtungen und dem Leben im Emmelinenstift erzählte.Du wirst Deinem Alter gemäß in die dritte Stube kommen," sagte sie unter andern,welche, wie Du weißt, zur Inspektion von Fräulein Waldmeister gehört. Das weißt Du ja auch, daß immer zu zwei Stuben eine deutsche Erzieherin und eine französische und eine englische Jnspektionslehrerin gehören. Mademoiselle Dubied und Miß Bridge sind sehr beliebt boi den Kindern, und Fräulein Waldmeister, meine Freundin, hast Du ja schon in Höfendorf kennen gelernt."

Sie ist sehr streng!" sagte Gretchen etwas ängstlich.

Tante Anna lächelte ein wenig.Gegen Dich wird sie es nicht sein, mein Gretchen, und überhaupt ist sie nicht so strenge wie sie aussieht. Deine Lehrerinnen werden Dich bald sehr lieb haben, dessen bin ich gewiß, da­gegen stehen Dir vielleicht mit Deinen Stubengenossinnen einige Kämpfe