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am Kiffhäuserberg eine Zusammenkunft zwischen dem jungen Hohenstaufen und dem alten Welfenherzog statt, durch welche nach fast zwanzigjährigem Kampfe das gute Einvernehmen wenigstens äußerlich wiederhergestellt ward; seine Lehen und seine Söhne erhielt Heinrich der Löwe nicht zurück.

Und damit war des stolzen unbändigen Mannes Leben ausgespielt. Er war zwar erst ein Sechsziger, aber in den steten Kämpfen und Be­kümmernissen jener eisernen Zeit alterten die Menschen rasch. Heinrich der Löwe ward alt und schwach, sein trotziger tollkühner Muth weich unter den harten Schicksalsschlägen, die ihn getroffen. Seine treffliche Gemahlin Mathilde hatte er im Dome zu Braunschweig zur ewigen Ruhe gebracht; sein ältester Sohn Heinrich war mit dem Kaiser nach Italien gezogen, die andern Söhne in des Kaisers Haft; so saß der alte Welse einsam in sei­ner Burg zu Braunschweig, beschäftigt mit der Verwaltung seines kleinen Landes, mit dem Bau von Kirchen, sein Umgang nicht mehr wie vormals eiserne Kriegsleute, sondern stille Geistliche. Die Gegenwart hatte für den Greis ihren Reiz verloren, nur die Vergangenheit zog ihn noch an; wie in den Zeiten seines Glanzes Dichter und Sänger an seinem Hofe freund­liche Aufnahme gefunden hatten, so gab er jetzt den Geistlichen, mit wel­chen er zumeist verkehrte, den Auftrag, die alten Jahrbücher zu sammeln und abzuschreiben, ließ sich von ihnen daraus vorlesen und vertrieb sich so die schlaflosen Nächte des Greisenalters. Doch hatte er noch die Freude, seinen ältesten Sohn Heinrich wohlbehalten aus Italien heimkehren zu sehen, versöhnt mit dem Kaiser, vermählt mit Agnes, der Erbtochter des Rheinpfalzgrasen Konrad, und dadurch nahe verwandt mit dem Hause der Hohenstaufen; die Anwartschaft auf die Pfalzgrafschaft war ihm bereits ertheilt und damit die Aussicht auf neuen Glanz des Hauses eröffnet.

So vergingen nach einem stürmischen Leben die letzten Tage des Greises in tiefem Frieden. Zu Ostern 1195 ward er schwach und siech, doch zog sich das Leiden bis zum Sommer hin. Er ward sichtlich schwächer, doch behielt er den oft bewiesenen starken und festen Muth; Arzneien nahm er nicht. Eingang August nahmen seine Kräfte rasch ab, so daß er sich für den Tod vorbereitete; die Schmerzen der letzten Lebenstage trug er geduldig, ohne ein Wort der Klage. Am 6. August, einem Sonntage, hauchte er seinen starken Geist aus mit den Worten: Gott sei mir Sünder gnädig! In dem Blasius-Dome zu Braunschweig, welchen er gegründet, zur Seite seiner Gemahlin Mathilde, fand er seine Ruhestätte.