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die Geographie von dem Orte zu berichten weiß. Aber Nonnenweier ist ja fehr oft genannt, hat eine gewisse Berühmtheit erlangt. Ja, gewiß! Wer sich für Anstalten interessirt, welche die Nächstenliebe geschaffen hat, der kennt Nonnenweier, wenigstens aus Berichten. Berühmt ist eigentlich nicht das ganze Dorf, sondern nur das sogenannte Schlößchen in dem­selben, ein freundliches Landhaus mit Nebengebäuden und großem Garten. In dem Schlößchen hat eine liebreiche Freundin der Armen, namentlich der armen Kinder, Frau Regina Jolberg, eine Anstalt errichtet, in welcher die Kleinen, Kinder der Landleute, vor dem schulpflichtigen Alter mütter­liche Pflege, die Herzenspflege erhalten, welche Mütter ihren Kindern zu geben berufen sind, aber wegen überhäufter Arbeit oft nicht geben können. Mit der Kleinkinderschule ist eine Vildungs-Anstalt für Kleinkinder- lehrerinnen verbunden, meistens aus niederen Ständen, es sind derselben Viele bereits thätig in Dörfern und Fabrikorten.

Ich hatte mir in Dinglingen zu der Fahrt nach Nonnenweier früh­zeitig einen Wagen bestellt und fuhr in erfrischender Morgenluft hierher. In meinen Reisebericht lege ich hier einige Blätter ein, die ich schon in der Heimath für diesen Zeitpunkt vorbereitete, sie enthalten Auszüge aus Frau Regina Jolbergs Lebensgeschichte, welche ihr Schwiegersohn, Schul- direktor Brandt herausgegeben hat. Du wirst die liebevolle, thatkräftige, unermüdlich sorgende und schaffende Frau in Dein Herz schließen, gewiß schon indem Du die kurzen Mittheilungen kennen lernst, vielleicht suchst Du dann Gelegenheit Dir das Buch von Dr. Brandt zu verschaffen, um mehr von ihrer Thätigkeit zu erfahren. Möglich daß es Dir ergeht, wie es mir erging, als ich die Lebensgeschichte las, ich mußte klagend ausrufen: Wie viel größer müßte die Freude sein eine so liebe Seele persönlich gekannt zu haben, eine solche Mutter der Armen!

Aus Regina Jolvcrgs Ueveir.

Mutter Jolberg beginnt ihre Erinnerung mit folgenden Worten: Unser Gott hat schon vor Grundlegung der Welt bestimmt, was er aus jedem Menschen machen will und machen würde, wenn wir seinen Willen verständen und ihm nicht widerstrebten. So hatte er auch in mich ein Saatkorn gelegt und seine Wunderhand hat es wachsen lassen und unter Stürmen und Gefahren aller Art erhalten, so daß es ein Baum geworden ist, darunter und in dessen Schatten die Vöglein fröhlich ihrem Herrn zur Ehre ihre Stimme erklingen lassen.