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Die Liebe Gottes ließ mich aus seinem alten Vundesvolke Israel hervorgehen. Meine lieben Eltern, David Zimmern und Sara Flörsheim waren einfache, redliche Bürgersleute in Heidelberg, die ihr anfangs kleines Handelsgeschäft mit Eifer und Treue betrieben und durch dasselbe unter Gottes Segen zu einem gewissen Wohlstände gelangt waren, in dessen Fülle wir Kinder aufwuchsen. Ich wurde den 30. Juni 1800 in Frank­furt geboren. Von 10 Geschwistern bin ich das dritt-älteste Kind und die älteste Tochter. Ich war ein stilles schüchternes Kind, das von jeher sich nicht heimisch fühlte unter den Menschen und den Verhältnissen, in denen es lebte. Es war mir immer, als suchte ich etwas Verlorenes. Viele Ein­drücke kamen und schwanden; es bildete sich in dem einsamen Kinde eine verborgene stille Welt, die mit der Außenwelt, in der es lebte, in einem großen Kontraste stand. Da wir in keine Schule geschickt wurden, sondern Hauslehrer hatten, so kam ich auch mit anderen Kindern in keine Berüh­rung. Mein lieber Vater kam alle Morgen in unsere Kinderstube, herzte und küßte uns, dann sahen wir uns erst Mittags wieder. Meine liebe Mutter, die nach und nach eine große Haushaltung bekam und immer kleine Kinder hatte, konnte sich gar wenig um uns annehmen, und so habe ich eigentlich mehr Erinnerungen an unsere alte Kindsmagd, die 34 Jahre bei meinen Eltern war, als an meine Mutter. Ich erinnere mich, wie mich diese Kindsmagd mit zu unserem Häfner (Töpfer) nahm, der aus Thonerde, Sand, bunten Steinen, Muscheln die ganze Gegend von Beth­lehem dargestellt hatte. Es stürzte sich ein kleiner Wafserfall herab und schlängelte sich durch das Thal nach Bethlehem, ganz bläulich und natür­lich anzusehen. Dort war dann die Krippe, darin das Kindlein ganz hell leuchtend mit einem Heiligenschein lag; in der Nähe die Hirten mit den Heerden, denen der Engel erschien. In der Ferne die drei Waisen aus dem Morgenlande, dem Sterne folgend, der über dem Stalle stand. Diese Wunderwelt machte einen solchen Eindruck von heiliger Freude auf mein Herz und von diesem Kinde ging mir ein so ahnungsvolles Bild auf, daß ich noch heute in der Erinnerung erkenne, wie es der Gnadenzug des Herrn war, der schon damals auf das Kindesherz wirkte, denn ich wußte ja gar nichts von dem Kindlein Jesus und hatte es doch so lieb, daß ich

ihm gern alle meine Puppen und Spielsachen geschenkt hätte."-

Meine lieben Eltern standen damals noch auf dem Gesetz und ich erinnere mich mit heiliger Ehrfurcht, wie sie am großen Versöhnungstage in Todten- kleidern in die Synagoge gingen, den ganzen Tag fasteten und wie ich