443

meine Mutter dort besuchen durfte; und das große Bußgebet, wobei sie immer an die Brust schlug und, wiewohl hebräisch, alle Sünden bekannte, schlägt mir heute noch in's Herz, es tönte fort in dem Kinde, bis zu meinem jetzigen Alter. Solche Eindrücke der Kindheit bleiben tief einge- graben. In unserem Elternhause herrschte ein streng sittlicher Geist und

herzliche Liebe und Einigkeit unter Eltern und Kindern."-

Das Leben eines israelitischen Kindes verläuft in solcher Einförmigkeit, daß nichts Besonderes davon zu erzählen ist, als daß in zarten Gemüthern

eine besondere Leere sich fühlbar macht."-Es fehlt der

lebendige Gott und das geoffenbarte Wort. Indessen kennt ja Gott aller Menschenkinder tiefstes Bedürfniß und so gab er auch meinen Eltern in das Herz mich in meinem 13. Jahre in ein christliches Pensionat zu sen­den, woselbst ich den Tag zubrachte."Hier ging mir eine ganz neue Welt auf. Die Sonn- und Festtage machten einen tiefen Eindruck aus mein Herz, besonders das herrliche Weihnachtsfest, welches mit dem Choral «Dies ist der Tag, den Gott gemacht,» eröffnet wurde."Charfreitag erfüllte mich mit heiliger Ehrfurcht, ohne daß ich wußte warum. Aber wenn ich auch an allem Aeußerlichen Antheil nehmen durfte, so erfüllte dennoch ein großer Schmerz meine Seele, weil ich ja innerlich keinen An­theil daran hatte; ich war und blieb voll Wehmuth und Sehnsucht. Ich Hütte es so sehr bedurft, daß sich Jemand meiner Noth erbarmt hätte: aber wer ahnte doch, was in dem immer so stillen Kinde vorging?" Doch ging mir in diesen zwei Jahren, in denen ich so Manches, wiewohl sehr unvollkommen lernte, der Sinn auf für Natur, Kunst, Lektüre, kurz für alles Schöne, dem auch sehr gehuldigt wurde."Als ich 15 Jahre alt war, kehrte ich wieder ganz in das Elternhaus zurück, ich kam in die Schule des Lebens, in das Getreide der Geselligkeit, in das Schöngeistige von allerlei Lektüre. Da ich zwei ältere Brüder hatte, so kamen viele Gäste in unser Haus. Ich wurde geehrt und erhoben, und so fand meine Eitelkeit und mein Ehrgeiz Nahrung. Die vielen Fremden hatte ich mit meinen Brüdern zu unterhalten, denn meine Mutter hatte mit ihrer großen Haushaltung, mein Vater mit seinem großen Geschäft vollauf zu thun. So wurde mein Herz recht in die Außenwelt gezogen."

Dieser Blick auf die Jugendzeit der lieben Regina muß uns hier ge­nügen, denn der Raum, welcher ihr überhaupt hier angewiesen werden kann, ist gering, es ist unmöglich das viele Schöne, was sie selbst ge­schrieben hat, wiederzugeben. Regina hatte eine sorgfältige Erziehung