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bekommen und lebte in angenehmen Familienverhältnissen, in behaglicher Geselligkeit; aber bei allem Wohlergehen blieb in ihr das Verlangen nach einem höheren Gut, das ihr noch unbekannt war. Bevor sie dies höhere Gut gewinnen konnte, hatte sie durch eine ernste Lebensschule zu gehen. Zwei Mal trat sie als Braut zum Altare, wurde Gattin und Mutter und beide Mal, in jungen Jahren noch, wurde sie Wittwe. Ihr erster Gatte war ein Freund ihrer Brüder, Dr. Neustetel, sie verlebte einige glückliche Jahre an seiner Seite und Gott schenkte ihr in dieser Ehe zwei Töchter, deren Besitz beide Eltern mit Freude und Dank erfüllte. Dr. Neustetel erkrankte und mit einem ernsten Brustleiden behaftet, wurde er nach Nizza geschickt, wohin ihn Regina begleitete, nur Regina, ihre kleinen Töchter blieben bei ihren Verwandten in der Heimath zurück. In Nizza wohnte Dr. Neustetel mit einer englischen Predigerfamilie in demselben Hause und dadurch ergab sich ihm und seiner Frau die Gelegenheit, dem Christen­thums näher zu treten, ja, während dieses Zusammenlebens ging ihre innere Bekehrung vor, wenn auch kein offener Uebertritt erfolgte. Als Dr. Neustetel starb, schloß Regina sich noch inniger an die Familie an, welche so große Bedeutung für sie gewonnen hatte, und sie bat den Prediger, dem christlich gläubig hinübergegangenen Todten eine Ruhestätte auf dem englischen Kirchhofe zu gewähren, welche Bitte ihr erfüllt wurde. Regina selbst, auch Christin der Gesinnung nach, wagte den Uebertritt noch nicht, aus Rücksichten für ihre Familie, erst später als sie sich mit Samuel Jolberg verheirathet hatte, ließ sie sich zugleich mit demselben und ihren beiden kleinen Töchtern taufen. So viel Glück Regina in ihrer Ehe mit Dr. Neustetel genossen, so viel Trauriges erlebte sie in der Ehe mit Jolberg. Zwei Kinder wurden ihr geboren und starben frühzeitig. Jolberg hatte kein Vermögen, aber auch keinen festen Lebensberuf und seine verschiedenen Unternehmungen mißglückten, so daß sie mit Sorgen um das tägliche Brod zu kämpfen hatten.

Nachdem Regina zum zweiten Mal Wittwe geworden war, lebte sie nur allein der Erziehung ihrer beiden Töchter und nahm noch ein Pflege­kind in ihr Haus auf. Ihre Verhältnisse hatten sich wieder besser gestaltet und sie stand mitten in einem Kreise gebildeter Menschen in lebendigem Verkehr. So angenehm dies einerseits war, so viel Unruhe legte dies Leben in ihr Mutterherz, der Gedanke ängstigte sie, daß das weltliche Treiben ihren jungen Töchtern Schaden zufügen könne und sie beschloß ganz aus demselben herauszutreten und im Stillleben auf dem Lande einen