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Wirkungskreis zu suchen. In dem Dorfe Leutesheim, in welchem ein ihr befreundeter Pastor lebte, fand sie Wohnung und eine ihren Wünschen angemessene Thätigkeit, Frau Jolberg schreibt darüber Folgendes:Es war an einem schönen heißen Sommertage, als ein Neisewagen die Nhein- straße hinauffuhr, der bald das Ziel der Reise, das kleine Dörfchen Leutes­heim, am Rhein gelegen, erreicht hatte. In dem Wagen saßen eine Frau von mittleren Jahren, zwei Töchter von 16 und 17 Jahren, ein Pflege­kind von 14 Jahren und eine junge Magd, das war unser Familienkreis. Wir hatten das letzte Jahr in Stuttgart gelebt, in freundlichen, lieblichen Verbindungen, meine Töchter fingen eben erst an, sich geistig und leiblich zu entfalten, genossen manchen Unterricht und Umgang, der sie anzog, auch für das christliche Leben war reichlich Nahrung da und dennoch drängle und trieb es mich innerlich fort in die Stille des Landlebens. Es giebt ja in jedem Menschenleben große entscheidende Abschnitte, wo zwischen Vergangenheit und Zukunft ein hoher Grenzstein sich erhebt.

-Ich war in sogenannten glücklichen Lebensverhältnissen geboren

und erzogen, ich hatte alles kennen gelernt, was Wohlhabenheit, Bildung und Geselligkeit, Liebe und Freundschaft darboten und war aus allem

diesen leer und unbefriedigt hervorgegangen.-Ich hatte immer

ein Herz für das Volk, und Volksbildung war eine der so vielen soge­nannten hohen Ideen, die mich beseelten. >-Nicht ohne Scham

fuhr ich so oft schön gekleidet spazieren, während um mich herum Alles in saurem Schweiß arbeitete, doch lag dies Alles verworren und unbe­stimmt in mir. Sah ich in Dörfern die kleinen Kinder so unbeachtet, so schmutzig umherlaufen, so verweilte oft mein Auge mit Thränen auf ihnen und ein Drang, ihnen auf irgend eine Art zu helfen, war so stark in mir, daß ich wenigstens gern gleich angefangen hätte, sie mit einem großen Schwamm Alle zu waschen, ja, oft betete ich, Gott möge mir helfen, etwas zur Volksbildung beitragen zu dürfen. Nun war ein Zeitpunkt in meinem Leben eingetreten, der mir gerade der von Gott dazu bestimmte zu sein schien.-Ich hatte die Bekanntschaft der lieben Pfarrer­

familie Fink aus Leutesheim gemacht, die sich auch so herzlich der Kinder im Dorfe annahm, dennoch wünschte diese Jemand, der sich bleibend den

Kindern widmen könne.-Als unser großer mit Hausgeräth

bepackter Wagen einfuhr und am Hause hielt, stellte sich natürlich Jung und Alt ein und Jedes wollte helfen, um zu sehen, was sich da begäbe. Es währte wenige Tage, so saßen wir mit unserer Arbeit unter dem