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sollte aber den Kleinen nicht gelehrt werden, es sollte keine eigentliche Schule, nur eine große Kinderstube für sie sein. In jener Zeit flössen viel Beiträge zu und Unterstützungen verschiedener Art erfreuten Frau Jolberg bei ihrer Liebesthätigkeit. Ein Müller hatte sich z. B. eine be­sondere Art von Hilfeleistung ausgedacht: Es wurden der Anstalt viele Gaben an Lebensmitteln angeboten, namentlich an Brodkorn; aber da entstand die Schwierigkeit der Beförderung. Der Müllermeister Dörrfuß in Ottlingen wußte Rath. Nach der Ernte fuhr er mit seinem großen Müllerwagen in die Dörfer der Umgegend, sammelte die Gaben ein, ver­wandelte sie in seiner Mühle in Mehl und brachte dieses dann zu Mutter Jolberg und ihren Zweiganstalten. Ja, Zweiganstalten, die Arbeit stand im Segen, es bildeten sich an verschiedenen Orten Schulen, denen Mutter Jolbergs Zöglinge vorstanden. Sie schrieb damals:Wunderbar ist alles gegangen, viele Sorgen haben wir uns gemacht, wie z. B.: wo bekommen wir Herzen genug her, die sich zum Dienst der Kindlein hergeben? Und siehe, unser Raum will uns schon nicht mehr reichen für die Zugeführten! Ferner: wo finden wir Gemeinden, die willig sind ihren Kindlein Lehrerinnen zu geben? Und siehe, es sind deren so viele, daß wir nicht genug Lehrerinnen haben."

So große Theilnahme die schönen Bestrebungen auch fanden, so gab es doch auch Menschen, die sie angriffen, das war in jener Zeit wohl be­greiflich, es waren die Jahre, welche der Revolution vorangingen, welche 18481849 durch Europa zog. Mutter Jolberg erzählt:Es nahete die Zeit heran, da das Gewitter sich entlud, und das Feuer der Revo­lution in helle wilde Flammen aufloderte. Die Auflösung der bestehenden Ordnung stieg auf's Höchste. Die bekannte Offenburger Volksversammlung zog viele Menschen von nah und fern herbei, es betheiligten sich auch Vorsteher und Bürger unserer Gemeinde, die am Abend spät mit wildem Geschrei heimkehrten und mit Drohungen an der Anstalt vorüberfuhreu. Einige junge Leute ballten die Fäuste und riefen: «Jetzt geht's an Euch!» Das war Sonntag den 13. Mai 1849. Mit welchen Gefühlen wir die Nacht und die nächsten Tage zubrachten, kann man sich denken. Wenn selbst Kinder auf der Gasse riefen: «Freiheit oder Tod!» so machten es unsere Kleinen auch nicht besser, die, wenn sie in Etwas von den Schwestern gestört wurden, zu ihnen sagten: «Was wolle denn Ihr? Ihr werre ja verschösse!» So war ein besonderer Geist des Ungehorsams auch bei den Kleinen fühlbar; aber der Herr war der Fels, an den wir uns hielten