450

Göthe's Ausspruchwas man in der Jugend wünscht, das hat man im Alter in Fülle," traf bei Mutter Jolberg zu, sie hatte in jungen Jahren immer gewünscht für das Volk thätig sein zu können, nun war ihr alle Gelegenheit dazu gegeben; sie hatte immer das Verlangen gehabt, arme kleine Kinder zu belehren, zu verpflegen, nun standen ganze Schaaren unter ihrer Aufsicht; sie hatte sich oft geschämt in schönen Kleidern einher zu gehen, während Arme darbten, hatte oft sich gesehnt ihnen Opfer zu bringen, jetzt brachte sie den Armen ihre ganze Zeit, ihre ganze Thätigkeit, ihre Kräfte und Mittel zum Opfer. Mutter Jolbörg wurde von allen Menschen, die sie kannten, sehr geschätzt und geliebt, man schenkte ihr viel Vertrauen und viele Menschen holten sich bei ihr Rath, Kraft und Trost in schwierigen Verhältnissen,Jeder hat ein Bündel, das er mir abladet," schrieb sie einst an ihre Freunde. Sie verstand es, den rechten Trost, die rechte Hilfe in richtiger Weise in Menschenherzen zu legen, sie half Schweres bekämpfen, denn das Gebet war ihre starke Waffe. Mit dem innigen Vertrauen zur Allmacht Gottes, zur Gnade, die immer zur Hilfe bereit ist, hatte sie selbst auch unzählige Schwierigkeiten überwunden und ihr großes Werk in so weitverzweigter Weise gegründet. Ihr Biograph sagt:So niedrig und flach auch Nonnenweier in der Rheinebene daliegt, so war es doch nach und nach eine Stadt auf dem Berge geworden, ja, ein Bethesda, in welchem viele würdige und hungrige Seelen Erquickung und Geistesnahrung, ja Heilung fanden."

Von Nonnenweier aus gingen viel liebliche Kinderschriften in die Welt hinaus, wohl hundert kleine Büchlein sind nach und nach erschienen, zum Theil von der Mutter Jolberg selbst, zum Theil von einer ihrer Töchter geschrieben. Diese Miniaturbüchlein haben viel Gutes gewirkt an Kindern und großen Leuten, sie brachten auch viel Geld ein, obgleich ein Exemplar gewöhnlich nur einen halben Kreuzer kostete. Die Schriftchen wurden zum Besten verschiedener Wohlthätigkeits-Anstalten verkauft, in das Baseler Missionshaus z. B. brachte Mutter Jolberg einst 100 fl., die nach Indien geschickt wurden, es war der Erlös eines der kleinen Büchlein. Noch heute werden die Schriftchen in Nonnenweier verkauft, ich nahm mir eine große Anzahl mit, um sie zu vertheilen, wenn ich wieder daheim bin; die Herausgeberin ruht von ihrer Arbeit, aber was sie geschaffen hat, über­dauerte ihr Leben unter dem Segen des Herrn.

Matter Jolbergs Wirkungskreis war ein weit ausgedehnter geworden; die in der Anstalt ausgebildeten Schwestern sind thätig in vielen Ländern,