453

Der alte Herr war ausgestiegen und wir sausten davon. Wer war er? Vielleicht der Johanniter Freiherr v. Vissing selbst. Niemand konnte Auskunft geben, keiner der Mitreisenden hatte ihn gekannt. Wir lasen natürlich sofort die Broschüre, sie hat eine Widmung, aus dieser will ich Dir einige Stellen abschreiben, denn sie ist an Dich gerichtet, an Dich und alle Frauen und Jungfrauen. Was in dieser Widmung gesagt ist, das kommt mir wie gerufen zum Schluß dieses Theiles meines Reise­berichtes.Edle deutsche Frauen und Jungfrauen! Es ist ein Greis, der unter dem Scheine seiner sinkenden Lebenssonne Ihnen in dieser Schrift die Frucht seines Lebens, seine Arbeit bietet. Was er erlebt und erfahren, erstritten und errungen, möchte er als ein Vermächtniß Ihnen

in Herz und Hand legen.-Die großen Tage ungeheurer

Opfer für das theure Vaterland sind vorüber. Hinter unserem Heere standen Sie, eine muthige, opferfreudige Schaar, mit vollen Händen den Balsam für die Wunden, den Trost der Liebe für die Bekümmerten spendend. Der Krieg hat aufgehört; aber nimmer ruht die Arbeit der Liebe. Wer einmal den dankbaren Blick besten gesehen hat, dem man Barmherzigkeit erwiesen; wer inne geworden, daß Geben seliger den Nehmen, sich hingeben herrlicher, denn sich selbst leben ist, der kann auch

im Frieden nicht unthätig sein.-Nicht in eine Welt voll Elends,

voll gestörter Hoffnungen, nicht in eine Welt voll schauriger Bilder des Todes, nein, in eine Welt voll süßen Morgenfrischen Lebens möchte ich Sie führen. Unsere kleine Kinderwelt, der junge Garten mit tausend verheißungsvollen Blüthen ist's, den ich Ihrer Pflege anvertrauen möchte. Tausende von Kindern wachsen auf, ohne daß in sie ein höherer Lichtstrahl fällt, ohne daß ihnen der Eindruck der Liebe Dessen zu Theil wird, der alle Kinder, reiche und arme, gleich geliebt hat. Dieser Mangel erzeugt ein Geschlecht, welches nur Selbstsucht pflegt und wenig oder nichts von Menschenliebe fühlt. Wer Barmherzigkeit nicht erfahren hat, der wird sie selbst nicht üben. Mit jedem Tage weitet sich die Kluft mehr zwischen den verschiedenen Ständen, weil so viel Arme und Reiche nichts wissen von Dem, der arm geworden ist, um reich zu machen, und manches Kind geht den Weg der Sünde und der Verzweiflung, weil es den Heiland nicht frühzeitig kennen gelernt, oder weil es nie von einem Vaterhause gewußt hat, wo ihm frühzeitige Seelen- und Sittenpflege liebevoll zu Theil geworden wäre. In der christlichen Kleinkinderschule liegt der Same der Frömmigkeit und der christlichen Sitte, so wie des Friedens und der