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Versöhnung mit den Menschen, denn er ist der Same Dessen, der Menschen mit Gott und Herzen mit Herzen versöhnt!

Zu welchem Dienst, zu welcher Aufgabe ich Sie, deutsche Frauen und Jungfrauen, rufen möchte, zeigen die folgenden Blätter. Dieselben wollen nichts sein, als ein leise fragendes Anklopfen, ob in Deutschlands Frauen und Jungfrauen der hohe Sinn lebt, der in der Stille baut, was draußen in den Stürmen des Lebens sich bewähren muß. Lesen und prüfen Sie meine Ihnen gewidmete Denkschrift, sie ist das Wort eines Mannes, der Vieles im Leben hat blühen und sterben, kommen und gehen sehen; der aber das Eine weiß: daß das Wort unseres Gottes bleibt in Ewigkeit und daß seine Liebe voll Vergeltung ist und voll Barmherzigkeit über die, die ihm in den Seinen gedient haben."

Ich habe der Widmung nur die Hauptpunkte entnommen, denn Frau v. Stein wird die Denkschrift ja erhalten und Du, junge Freundin, wirst vielleicht Gelegenheit suchen sie Dir zu verschaffen oder haft sie bereits in Deiner Mutter Hand gesehen, sie ist ja für Deine Mutter und für Dich geschrieben.

Mein Reisebericht wird hier unterbrochen, es muß eine offene Stelle bleiben für Frau Schöne's Sendung, die ich erwarte, sie schreibt für mich, wie ich bereits sagte, eben den dritten Abschnitt aus Else's Leben, der Schilderung eines Kindes aus dem Volke, eines Mädchens aus dem Volke, soll die einer Frau aus dem Volke folgen.

Eine §rau aus dem Volke.

Als die kleinen mutterlosen Töchter des Grafen Herbart, vom Land­volke die Grafzwillinge genannt, sieben Jahre alt geworden, hatte sie der Vater von ihrer treuen Pflegerin Elfe getrennt, um sie in einer großen Stadt von Professoren unterrichten zu lassen, ihnen überhaupt eine Bildung zu geben, wie sie auf dem Lande schwer zu erreichen ist. Graf Herbart hatte sich mit seinen Kindern in derjenigen Stadt niedergelassen, in welcher damals seine Braut, die junge Dame, welche seine zweite Gemahlin werden sollte, mit ihrer Mutier lebte. Bald nach der Uebersiedelung hatte der Graf seine neue Häuslichkeit gegründet und seinen Kindern wieder eine Mutter gegeben.

Die zweite Gräfin Herbart war eine schöne, elegante Erscheinung, von feiner geselliger Bildung, sie malte, dichtete, sang und war eine an­genehme Gesellschafterin, nie verlegen um ein Gespräch, immer höflich,