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wenn sie ihre zweite Toilette gemacht hatten, immer aus, als seien sie aus dem Journal herausgeschnitten, nur in ihren Morgenkleidchen konnte man die Grafzwillinge vom Lande wiedererkennen. Die Erzieherin hatte die Absicht, später in der Stadt, in welcher der Graf Herbart lebte, eine Pensions-Anstalt zu gründen, sie war Verlobte eines Lehrers. Dieses Paares Streben bezog sich auf möglichst baldigen Beginn des gemeinsamen Wirkens, die Seele der Erzieherin war daher so mit den eigenen Wünschen ausgefüllt, daß die ihr jetzt anvertrauten Zöglinge sehr zu kurz kamen. Leichtsinnig war Miß Hall eben so wenig wie die junge Gräfin; aber Beide, im unbewußten Egoismus, vernachlässigten die Kinder, zwar nicht im äußeren Leben, aber umsomehr im inneren. Was Elfe, das einstige Waldkind, das in Schwester Johanna's Kleinkinderschule die Saat zum Lebensbaum empfangen, der dann seine Krone lieblich entfaltet über andere Kinder, was diese Elfe an den Zwillingsschwestern gethan, das hatte volle Gelegenheit unter Leitung der feinen Gräfin Mutter und der feinen Er­zieherin unterzugehen; davor aber schützte sie der liebe Gott. Es vergingen sieben Jahre unter den nicht eben wohlthuenden Verhältnissen, dann änderte sich Alles.

Die Gräfin war eine zarte Gestalt und das fortwährende Leben in der Gesellschaft griff ihre Gesundheit an, es kam so weit, daß sie ernstlich leidend wurde und daß die Aerzte aussprachen, es werde ein Jahr im Süden, vielleicht eine Uebersiedelung nach Madeira für einige Jahre zu rathen sein. Der Graf war zu jedem Opfer bereit und es wurden Pläne gemacht und Vorbereitungen getroffen, welche für die Gesundheit der Gräfin am geeignetsten schienen. Er selbst, der Graf, wollte seine Gemahlin be­gleiten; aber Martha und Marie, sollten sie aus ihrem Unterricht heraus­gerissen werden? Sie waren jetzt über vierzehn Jahr alt, fast fünfzehn und die Confirmationsstunden sollten beginnen. Die englische Erzieherin wußte Aushilfe. Ihre Heirath konnte beschleunigt werden, sie hatte ja die Absicht ein Pensionat für junge Mädchen zu gründen und das Zwillings­schwesternpaar war gar willkommen zur Aufnahme in das neue Institut, und so wurden auch von dieser Seite alle nöthigen Vorkehrungen getroffen.

Martha und Marie hatten sich körperlich schön entwickelt, auch ließ ihre äußere Bildung nichts zu wünschen übrig, sie trieben Musik und Sprachen, sie zeichneten, hatten allen Schulunterricht, turnten, tanzten, wußten auch schon in kleinen Abendgesellschaften ihrer Eltern sich gut zu benehmen. Sie waren für ihre Jahre sehr vorgeschritten, denn eigentlich