457

hatte man die Kindheit möglichst für sie abgekürzt und ihnen das Leben in der Gesellschaft als das Ziel der Jugend hingestellt, für das ihre Aus­bildung glänzende Erfolge versprach. Aber das Schwesternpaar war doch nicht ganz im Tand verstrickt, es lag in Beiden ein heiliges Samenkorn, das immer Keime trieb, wenn diese auch wieder geknickt wurden; die Er­innerung an die sieben ersten Jahre ihres Lebens ging nicht unter, es tönten Stimmen daraus hervor, die wie Engelrufe klangen, wie Kirchen- glocken, die zur Andacht weckten. Die Mädchen machten nicht Vergleiche mit dem Sonst und Jetzt, tadelten nicht die Gegenwart im Verhältniß zur Vergangenheit, sie ließen die Zustände gehen, wie sie gingen, gaben sich Allem hin ohne weiteres Nachdenken. Als von der Mitreise nach Madeira die Rede war, machten sie ihre Pläne für die Reise, als von ihrem Bleiben in der Anstalt bei der bisherigen Erzieherin die Rede war, waren sie auch zufrieden, nur Eins war Bedingung in ihrem Herzen zu ihrem Glück, sie, die Schwestern, wollten nicht getrennt sein. Zwillinge hängen gewöhnlich innig aneinander, inniger als andere Geschwister, und die Liebe war in Martha und Maria ein festes Band, dessen sie sich klar bewußt waren.

nannten die Eltern das Zwillingspärchen und es wäre ihnen auch nicht in den Sinn gekommen sie zu trennen. Maria und Martha waren aufgewachsen wie aneinander gefesselt, alle Wünsche, Nei­gungen, Hoffnungen theilten sie, keinen Schritt hätte eine Schwester ohne die andere thun mögen, wenigstens thaten sie keinen von irgend einer Bedeutung, ohne ihn vorher zu besprechen, sogar Krankheiten hatten sie bisher gemeinsam überstanden, als da sind die bekannten Ausschlagkrank­heiten, welche die Jugend am leichtesten überfallen, und hatte sich ein leichtes Schnupfenfieber auf die eine Schwester geworfen, so wich die andere nicht von ihrer Seite.

Der Graf machte seine letzten Einrichtungen, um die Reise zu der fernen Insel anzutreten, er gab seine Wohnung aus, ordnete seine Geschäfte auf den Gütern und für die jungen Töchter wurde eben auch gesorgt, so gut dies möglich war. Die Hochzeit der Erzieherin wurde im Hause des Grafen Herbart gefeiert, sie richtete ihr Institut eilig ein zum Empfange von Zöglingen, und das Zwillingsschwesternpaar sollte einziehen bei dem neuvermählten Paare, da trat ein Ereigniß ein, das alle bisherigen Pläne plötzlich in Frage stellte. Als die Schwestern ihren ersten Besuch bei Frau Professor Grohn, ihrer Erzieherin, machen wollten und in einen Wagen