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gestiegen waren, der sie in das Anstaltsgebäude fahren sollte, wurden die vorgespannten Pferde wild, sie stürmten pfeilschnell durch die Straßen und der Wagen brach und wurde umgeworfen. Maria kam mit einer leichten Verletzung davon, Martha aber mußte bewußtlos nach Hause ge­tragen werden, eine Lähmung war die Folge, denn die Rückenwirbel waren verletzt. Die Reise der Eltern in die Ferne ward im Augenblick aufge­geben, denn sie konnten und wollten Martha nicht verlassen in ihrem so gefährlichen Zustande und das Institut der Frau Professor Grohn blieb vorläufig ohne Zöglinge. Aber die Aerzte wiederholten, daß ein Aufent­halt im warmen Klima für Gräfin Herbart durchaus nöthig sei, so ent­stand die Frage: ob Martha ihre Eltern begleiten dürfe, ob eine so weite Fahrt ihr zuträglich sein würde. Für Martha aber war Ruhe geboten, ein Aufenthalt gleichzeitig in stärkender Landlust. Da trat dem Grafen der Gedanke nahe, der jungen leidenden, schwer verletzten geliebten Tochter auf seinen Gütern, in ihrem Geburtsorte, die gewünschte Ruhe zu ver­schaffen. Für Ausführung dieses Gedankens sprachen auch andere Beweg­gründe: In der Nachbarstadt, dem Stationsorte von Herbartsruh, lebte ein Arzt, dessen Ruf anerkannt war, ein bewährter, langjähriger Freund der Graf Herbart'schen Familie. Dieser Arzt, Dr. Teuber, wurde mit zu Rathe gezogen. Er stimmte mit der Ansicht der Aerzte, welche bereits ihr Urtheil abgegeben hatten, überein, er hielt Martha's Zustand für gefährlich, aber nicht für unheilbar und war bereit sie in die Kur zu nehmen und glaubte Wiederherstellung verheißen zu können. Die kurze Reise nach Schloß Herbartsruh, auf der Eisenbahn, hielt man nicht für nachtheilig. Eine geprüfte Lehrerin wurde angenommen, sie war eine ältere erfahrene Dame, welche den weiteren Unterricht und die Leitung der jungen Mäd­chen übernehmen sollte. Des treuen Freundes, des erfahrenen Arztes Nähe sicherte die sorgsamste Aufsicht und Behandlung der Kranken, so daß die Eltern ihre nöthige Reise nicht aufzugeben brauchten.

Einige Wochen später war alles Neugeordnete im besten Gange: der Graf war mit seiner kranken Gemahlin auf der schönen Insel Madeira eingerichtet, Maria befand sich mit ihrer kranken Schwester in der ihnen Beiden aus den Kinderjahren her noch lieben Heimath. Hier gestaltete sich das Leben der jungen Mädchen sehr wohlthuend. Die Grafzwillinge wurden von den Dorfleuten mit herzlicher Freude begrüßt, besonders aber von der Gärtnersfrau. Die liebe Elfe war es, sie kam ihnen entgegen mit der alten Innigkeit, als sei nicht Raum, nicht Zeit zwischen sie und