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Selbstzucht," erwiderte Elfe.Man vergißt zu oft die Rechte Anderer, weil man selbstsüchtig ist. Ich sage nicht, daß Liebe und Rücksicht auf Andere allen Kampf ausrotten würde; aber wo das liebe Ich nicht die erste Rolle spielt, da ist der Friede nicht weit."

Else's Herz war dem Frieden und der Liebe sehr geneigt und sie ging immer mit sich selbst zuerst in's Gericht, wenn's irgend wo nicht recht klappen wollte im täglichen Leben. Solche Leute sind viel werth in allen Ständen, denn jeder Einzelne hat seinen Anhang, der ihm leicht nachahmt, darum hat aber auch jeder Einzelne eine große Verant­wortung.

Elfe hatte, obgleich sie Gärtnersfrau war, nichts mit dem Garten zu thun, den Garten besorgte Andreas mit Arbeitern aus dem Dorfe, Elfe war nur Hausfrau, sie besorgte, was es für die Wirthschaft zu thun gab und für Mann und Kinder. Nebenbei blieb ihr dennoch Zeit manchen Blick in den Garten zu thun, nicht um die Kunst ihres Mannes dort zu treiben, aber um ihre Freude daran zu haben und ihre Verwunderung und Be­wunderung zu vermehren. Des Waldkindes Liebe zur Natur war in der Frau und Mutter nicht untergegangen, im Gegentheil, ihres Mannes Beschäftigung hielt diese Neigung recht wach, und als sie Kinder hatte und diese anfingen Theilnahme zu zeigen, da suchte sie auch ihnen die Freude am Beobachten der Natur zu erwecken. Else sagte oft zu ihrem Andreas:Der liebe Gott hat es gar gnädig mit mir gemacht, daß er mir einen Gärtner zum Manne gegeben hat, wärst Du ein Schlosser oder Tischler und lebtest gar in der Stadt, ich hätte mich schwer drein ge­funden." Oft sprach Else:Es ist mir so eine Herzensfreude, daß unser Herr Jesus, als er Mensch war, die Natur auch so lieb hatte, man sieht's recht, denn alle seine Gleichnißreden beziehen sich auf die Natur." An der Sonnenseite des Gärtnerhauses war die ganze Wand bis unter das Dach mit Weinranken bekleidet, das machte Else rechte Freude und sie bewun­derte die kräftigen Stämme, welche so viel Reben mit Saft anfüllten und ihnen die Fähigkeit gaben gute Frucht zu tragen.Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben!" Dieses Gleichniß fiel Else oft ein, oder vielmehr sie trug es fortdauernd in der Seele; so gern sie alle Gleichnißreden des Herrn hatte, die vom Weinstock und den Reben war ihr doch die liebste und ihre zwei Kinder, so klein sie auch waren, mußten sich oft mit den Reben verglichen sehen;sie verstehend noch nicht," sagte Else,schadet nicht, es kommt eine Zeit, daß sie's begreifen, mag sich nur der Gedanke

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