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vorläufig in ihnen festwurzeln." Auf der Schattenseite des Gärtner­hauses waren keine Weinreben; aber grün bewachsen war auch da die ganze Wand, hier rankte sich Epheu hinauf bis an's Dach. Zwei Stämme waren es, fest aneinander geschmiegt, die hier in vielen üppigen Ranken sich ausbreiteten, es waren dies die zwei Epheuzweige, die Elfe einst für die Zwillinge in einen Topf gepflanzt hatte. Sieben Jahre hatte sie das wuchernde Schlinggewächs in dem Topfe gepflegt, sie war kaum im Stande gewesen die üppigen Ranken zu beherbergen; als Elfe aus dem Dienst getreten war, hatte aber Andreas die Epheustämme an die Wand des Gärtnerhäuschens verpflanzt. Damals dachte Elfe nicht, daß sie einst in dem Hause wohnen würde, aber mitnehmen wollte sie den Epheutopf nicht, denn sie hatte ja die kleinen Zweiglein nicht für sich eingepflanzt, sondern für die kleinen Grafzwillinge, Maria und Martha hatte sie die Zweiglein benannt, sie mußten im Schloßgarten von Herbartsruh bleiben. Wie freute sich Elfe, als sie mehrere Jahre später mit ihrem Andreas das Gartenhaus bezog und die Wand völlig bedeckt fand mit den üppigen Ranken, und wie halten sich diese in einander gewunden, sie gaben ein richtiges Bild der Zwillingsschwestern: zwei Stämme standen aneinander geschmiegt; aber die Kronen waren Einsund die Ranken als Gedanken" waren nicht voneinander zu trennen. So hatte Else das Bild erklärt und so hatte sie es den jungen Mädchen vorgestellt, als sie diese zum ersten Mal vor die Epheuwand geleitete.

Else war eine thätige Hausfrau und Mutter; aber über den Tage­dienst vergaß sie nicht ihre alten lieben drei Bücher: die Bibel, Schilling's Naturgeschichte und Grimm's Märchen. Die Märchen freilich las sie nicht mehr, die lagen schon in ihrem Gedächtniß fest, desto öfter aber nahm sie ihr Wort Gottes und ihre Naturgeschichte vor, denn darin fand sie, je mehr sie las, je mehr Neues, besonders im Wort Gottes. Else verflocht diese Schriften in Gedanken so zu sagen ineinander, als zwei Offen­barungen der Weisheit, Allmacht und Liebe Gottes, der ein Schöpfer der Welt war, ein Erhalter derselben ist und den Menschen einen Heiland gab. Wenn Else in der Kirche war und die Predigten des lieben alten Herrn Pastors hörte, der sie eingesegnet, bald darauf die Grafzwillinge getauft, der sie sieben Jahre später getraut und dann auch ihre zwei Kinder getauft hatte, dann fand sie in den Reden oft ihre eigenen aus ihren Büchern geschöpften Gedanken und sie empfing viel neue, die aber immer mit ihren Büchern stimmten.