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Maria und Martha begannen bald nach ihrer Ankunft.in Herbartsruh ihren Confirmationsunterricht, der Pastor kam dreimal die Woche zu ihnen, um die Religionsstunden zu geben; aber er kam auch außerdem, um ihnen andere Dinge vorzutragen, die zu ihrer weiteren Ausbildung gehörten. Die beiden Schwestern besuchten mit Miß Box jeden Sonntag die Kirche, Martha wurde vor die Kirchthür gerollt, dann auf demselben Nollstuhle sitzend von zwei Männern auf ihren Platz getragen. Das Erscheinen der Kranken und ihrer Schwester erregte allemal einen förm­lichen Aufruhr vor der Kirchthür unter den Kirchengängern,Guten Morgen, Grafzwillinge!" hieß es von allen Seiten oder:Grüß Gott! Comteßchens!" und alle Männer hätten am liebsten zugegriffen und das gelähmte junge Mädchen getragen; aber das war ja nicht nöthig, es blieb ihnen nur das Zusehen aus der Ferne, wenn die Schloßdiener ihr Amt verrichteten.

Die Dorfleute achteten ihren Gutsherrn recht hoch, er war immer theilnehmend für sie gewesen, zu gutem Rath und auch zu Hilfe bereit, wenn es Noth that, ähnlich dem alten Herrn, der nun schon lange in der Familiengruft ruhete. Graf Herbart hatte ja die Enkeltochter des alten Herrn geheirathet und dessen Kinder waren die Zwillingsschwestern Maria und Martha. Den ganzen Zusammenhang kannten die Dorfleute und es war ihnen, als gehörten sie von Rechtswegen alle zu der Schloßherrschaft. Es war im Ganzen ein guter Menschenschlag in Herbartsruh. Aber unter den guten befanden sich auch böse Menschen, räudige Schafe giebt es in jeder Heerde. Der Zimmermann Schwenker, dessen gottlosen Reden Else zuweilen entgegen trat, wenn sie Gelegenheit dazu hatte, war so ein räudiges Schaf. Der Mann war wegen verschiedener Vergehungen auf Anklagen des Schloßherrn in Strafe gekommen, das vergaß der Bestrafte nicht. Zwar war nicht eigentlich Graf Herbart der Kläger, sondern sein Inspektor; aber das galt dem mehrfach zu Geldstrafen Verurteilten gleich, er hegte für die Gutsherrschaft nur böse Gedanken, er überlegte nicht, daß er sich die Klagen und Strafen durch sein unrechtliches Ver­halten zugezogen, er war nur empört, daß man ihn an den Pranger gestellt hatte. Wenn die Dorfleute mitleidig auf das gelähmte Kind ihres Gutsherrn schaueten, dann warf Zimmermann Schwenker böse Blicke umher und sagte manch hartes Wort, wie z. B.:Es ist dem reichen Volke schon ganz recht, wenn auch Leiden kommen, es geht denen immer zu gut. der Herrgott muß doch ein Einsehen haben und nicht blos das