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und sie war vor Gram gestorben. Nach ihrem Tode war das Schloß nach und nach verfallen und Räuber hatten sich in den Ruinen eingenistet, hatten die ganze Umgegend mit Schrecken erfüllt und die Schätze, welche sie gesammelt hatten, sollten irgendwo im Schloß oder im Schloßgarten verborgen gewesen sein. Noch immer, hieß es, sei irgendwo ein Schatz vergraben und die abergläubische Menge erfand allerhand Geschichten, diesen Schatz betreffend, welchen schon viele Menschen hatten ausgraben wollen und auch wirklich entdeckt hatten, aber jedes Mal, wenn die schwarze Kiste mit Gold- und Silberthalern aus der Erde herausgehoben werden sollte, stieg neben ihr aus der Tiefe ein Gespenst herauf. Dieses war der Geist des letzten Näuberhauptmannes, welcher ganz so, wie er einst gelebt hatte, wie er zum Entsetzen aller Menschen herumgegangen war in abenteuerlicher Tracht, mit Waffen in den Händen und im Gürtel, sich plötzlich zeigte, nur mit dem Unterschied, daß sein Kopf jetzt ein Todten- kopf war, aus dessen Augenhöhlen nicht Augen, sondern glühende Kohlen zu leuchten schienen, und die Knochenhand, die er ausstreckte, um den Schatz zu beschützen, zeigte nur zu deutlich, daß sie einem Gerippe angehöre. Seine Erscheinung hatte dann zur Folge, daß die Schatzgräber vor Schrecken davon liefen, die schwere Kiste mit dem Gold und Silber fahren ließen, welche sich ganz von selbst wieder in die Erde versenkte, und der Geist fuhr mit wildem Gelächter, aus seinen Augen Feuer sprühend, gleichfalls wieder in-die Tiefe, zurück. Ein Mal sollte er sogar einen Schatzgräber, welcher muthiger gewesen war als seine Vorgänger und nicht hatte weichen wollen, sondern mit der Schaufel, die er zum Aus­graben gebraucht hatte, auf den Geist losgegangen war, bei den Haaren erfaßt haben und ihn, mit dem Gesicht nach unten, zu Boden geworfen haben, wo er augenblicklich todt liegen geblieben war. Seine Leiche wurde da von seinen Freunden gefunden. Aehnliche alberne Geschichten wurden erzählt von den Spaziergängern, welche auf der Bank saßen, und wäh­rend des Gesprächs pflückte oft einer oder der andere sich ein Blatt oder einen Zweig von dem Epheu und nahm es mit zum Andenken an die Schloßruine oder den dort verlebten angenehmen Tag. Eines Tages kam ein junges Mädchen die Ruine zu besehen; sie war eine Nühterin und wohnte nicht weit von dort, war aber dennoch nie auf unserer Anhöhe gewesen, denn sie hatte selten Zeit zum Spazierengehen. Sie war jung und fröhlich und schwatzte allerhand mit ihrem Bruder, der sie begleitete und der ein junger Mensch von siebenzehn Jahren war, während sie auf