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der steinernen Bank unter meinem Fenster saßen. Untep Anderm sagte sie: Wie hübsch müßte es sein hier oben zu wohnen! Selbst jetzt sind die verfallenen Mauern noch reizend mit dem Epheu, der sich um sie herum- rankt. Meinst Du das nicht auch, Ferdinand? Wenn ich das Zimmer haben könnte, welches über uns ist, wo sich der Epheu so freundlich hin­einzieht, ich würde es mir darin wohnlich machen, glaube ich. Ich ließe neue Fenster, vielleicht auch neue Thüren einsetzen, ließe die Wände von Spinnweben befreien, Alles recht nett und ordentlich halten, würde mir den Epheu um's Fenster herumziehen wie einen Kranz und mich dahinter setzen mit meiner Arbeit. Daß ich fleißig sein muß, um mein tägliches Brod zu verdienen, würde mich nicht abhalten mir einzubilden, ich sei ein Ritterfräulein, und ich könnte mich ja auch als solches anziehen, denn die alten Bilder, die da oben noch hängen sollen, könnten mir als Muster dienen."Ich möchte durch die Fensteröffnung einsteigen, die über uns ist," sagte Ferdinand,ich Möchtegerne wissen, wie es da drinnen aussieht; eine Thüre giebt es ja nicht mehr, durch welche man hinein kann, Alles ist verschüttet und zusammengestürzt.Steige hinein," sagte lachend seine Schwester,ich will Dir dabei behilflich sein; ich stelle mich auf die Bank, Du kletterst an der Mauer hinauf, stellst allenfalls Deine Füße auf meine Schultern, hältst Dich an dem zerbröckelten Mauerwerk an und kommst so hinein." Gesagt, gethan; Ferdinand war behende, an's Klettern gewöhnt, und es dauerte nicht lange, so stand er oben in der Fensterwölbung und rief hinab:Paulinchen, hier oben ist es amüsant: alte Bilder, zerbrochene Meubel, dazwischen die frische Epheuranke, welche hier längs der Mauer wächst. Ich möchte Dir das Portrait der Ritters­frau von der Wand herunternehmen, wenn ich könnte, Du siehst der schönen Dame ein wenig ähnlich, sie hat auch so freundliche blaue Augen gehabt wie Du."Man darf ja nichts wegnehmen von hier, die alten Bilder müssen irgend Jemandem gehören, wenn sie auch halb zerstört sind," antwortete Pauline.O, ich will es nicht nehmen, das Bild, obgleich es schwerlich vermißt werden dürfte; aber etwas will ich Dir von hier doch mitnehmen, was Du zu Hause pflegen und woran Du Dich erfreuen kannst." So sagend, riß er von der Mauer mich los und meine ganze lange Ranke fiel dem jungen Mädchen herunter zwischen ihre Hände, die mich auffingen.Ach, die arme Pflanze!" rief Pauline aus,nun sie losgerissen ist von ihrer Mauer, wird sie vertrocknen und zu Grunde gehen."Das soll sie eben nicht," sagte ihr Bruder,weißt Du denn