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Da soll er sich um mein Bild herumschlingen, welches an der Wand hängt," antwortete Hedwig.Ja, das wäre freilich hübsch, indessen glaube ich kaum, daß er die Zimmerluft vertragen wird," sagte Pauline. Er war bis jetzt immer vor meinem Fenster der frischen Luft ausgesetzt und da ich bemerkt habe, daß alle Blätter sich nach dem Lichte hinziehen, so wird es ihm dort im Winkel außerdem zu finster sein."Du sprichst von dem Epheu, als wäre es eine Person," sagte Hedwig.Eine Pflanze hat nicht Launen wie ein Mensch; er wird sich im Zimmer auch wohl be­finden und nach den Umständen fügen."Ich habe nur wenig Erfah­rung, was die Pflege der Pflanzen betrifft," antwortete Pauline,doch habe ich die Ueberzeugung gewonnen, daß sie ihre Eigenheiten haben und wenn man diese nicht beachtet, sterben sie hin. Es wäre Schade um den schönen Epheu, wenn er seine Blätter verlieren sollte!" Hedwig lachte, sie glaubte nicht an das, was ihr Pauline sagte und meinte, Alles müsse sich ihrem Willen fügen. Ich blieb also im Winkel des Zimmers stehen und wurde so um den Rahmen von Hedwigs Bild herumgezogen, daß die Spitzen von meinen Zweigen vom Lichte abgewendet waren. Die Nachtluft, welche ich früher vor dem Fenster immer eingeathmet hatte, entbehrte ich ganz. Obgleich ich nun nicht Anfangs gleich hinwelkte, im Gegentheil in der ersten Zeit im warmen Zimmer stärker trieb als früher, zu Hedwigs Triumph, so fielen doch bald nach und nach einige meiner schönsten und größten Blätter ab. Hedwig glaubte durch fleißiges Be- gießen alles wieder gut machen zu können, aber sie wollte meine Blätter nicht vom Staub befreien, welcher täglich im Zimmer darauf fiel, hierzu war sie zu träge. Der mir angethane Zwang war mir sehr schädlich, meine Blätter wollten sich nach dem Lichte wenden, hatten aber nicht die Kraft dazu und alle jungen Triebe starben nach und nach ab. Binnen einigen Wochen hatte ich fast alle Blätter verloren, und Hedwig hatte um ihr Bild herum nur noch die blätterlosen Zweige, welche aussahen wie dicke Bindfaden. Sie rief eines Tages die Magd und sagte:Trage den häßlichen Epheu hinaus, ich mag ihn nicht mehr sehen."Was soll ich damit machen?" fragte die Magd.Wirf die dumme Pflanze in's Feuer, es wird nichts mehr damit zu machen sein," sagte Hedwig. Die Magd ergriff mich, trug mich in die Küche, setzte mich einstweilen auf einen Tisch und hätte mich vielleicht wirklich verbrannt, wenn nicht in dem Augen­blick eine Gemüsehändlerin in die Küche gekommen wäre und mich gesehen hätte.Was wollen Sie mit diesem Epheu machen, Betty? Warum