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Herrin geheim zu halten. Diejenigen Blumen, welche der Vogel ganz verdorben hatte, entfernte er aus dem Zimmer und sagte später, er habe sie dem Gärtner übergeben, der dafür andere bringen wolle. Mich fand er so wenig seiner Beachtung werth, daß er mich in den Hof hinunter trug, wo ein Haufen Kehricht lag, der von den Hausbewohnern da an­gesammelt und dann von Zeit zu Zeit fortgeschafft wurde von einem Gassenkehrer, welcher mit einem Esel-Wagen durch die Straßen fuhr, um allen Unrath mitzunehmen und ihn vor die Stadt hinauszufahren. So wurde ich denn auch mit aufgeladen zwischen Scherben, Fetzen, Staub und Erde. Hätte Jda mich jetzt sehen können, wie würde sie gejammert haben über ihren schönen Cactus, der noch vor wenig Tagen in einer Blumenausstellung eine Rolle gespielt hatte! Der Esel-Wagen mußte an einem Fluß vorüber, der durch Regengüsse ziemlich stark angeschwollen und über seine Ufer getreten war. Der Esel gerieth in's Wasser hinein und lief mit dem Wagen gegen einen Stein, wodurch derselbe sich etwas auf die Seite legte, weil er einen Stoß erhielt; so fiel einiges von dem In­halt in's Wasser und trieb mit demselben fort. Ich fiel auch herab und blieb eine Weile zwischen einigen Steinen hängen, an denen sich mein Blumentopf zerschlug. Der Wagen fuhr weiter und ich blieb nun im Wasser, wo ich mich nicht sehr wohl befand, denn das Wasser ist eben nicht mein Element. Ich wäre auch darin bald zu Grunde gegangen, besonders nachdem ich durch die Wellen von den Steinen wieder los­gerissen war und hin und her gespült wurde. Der Zufall wollte nun, daß ein Fischerknabe kam und sein Netz auswarf an der'Stelle, wo ich im Wasser versunken war; er fing keinen Fisch, zog aber statt dessen mich in seinem Netz empor. Als er mich sah, war er verdrießlich und zugleich verwundert, er hatte noch nie einen Cactus gesehen und wußte gar nicht, was das für eine Pflanze war; weil er aber sah, daß ich Wurzeln hatte, beschloß er mich mit nach Hause zu nehmen. Nachdem er später noch ein paar Fische gefangen hatte, ging er mit diesen und mit mir seinem Dorfe zu. Vor der Thüre seiner Eltern war ein sonniges Plätzchen, da steckte er mich in die Erde ohne viel darüber nachzudenken, was aus mir werden könne. Er widmete mir auch später keine große Aufmerksamkeit. Von meinen vielen Knospen war eine einzige noch nicht aufgeblüht gewesen, als der Papagei meine Blüthen abgebissen hatte, sie war noch so klein, daß er sie deshalb unbeachtet gelassen hatte. Ich erholte mich bald wieder vor der Thüre des Fischers, und mein Lebensretter bemerkte eines Tages