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im Reiche der Vergißmeinnicht, wo sie dann von Bach zu Bach, von Wiese zu Wiese geht, ihre Untergebenen besucht und nachsieht ob' sie auch Wasser genug haben, ob ihre blaue Uniform auch. fleckenlos und in Ordnung ist. Als sie nun vorhin zwischen den Quellen des Waldes spazieren ging, wo unserer viele versammelt sind und Dich hier unten weinen hörte, nahm sie einen Umweg über unsere Wiese, obgleich sie eigentlich hatte weiter gehen wollen in das Thal auf der anderen Seite des Waldes. Sie ist nun fortgegangen, hat uns aber aufgetragen bei Dir zu bleiben und Dich sogar nach Hause zu begleiten, wenn wir Dich noch traurig sehen sollten." Dieses und noch mehreres sagten die Blümchen, und zuletzt war es Käth- chen als stimmten sie ein frommes Lied an und sie begriff nicht, wie die stillen Blumen so reden und singen konnten, aber es war alles gar aller­liebst und sie war auch gar nicht mehr betrübt, sie hätte sogar gern mit­gesungen, aber die Melodie war ihr ganz unbekannt und sie fürchtete auch mit ihrer starken Stimme die feinen Blumenstimmchen zu übertönen. Sie wäre am liebsten ruhig so liegen geblieben und hätte dem Chorgesang noch lange zugehört, sie wollte aber der Vergißmeinnicht-Königin nachblicken in den Wald und erhob den Kopf es war indessen von der lieblichen Gestalt nichts mehr zu sehen, alles war still und einsam. Sie richtete ihre Augen nach dem Sumpf und bemerkte jetzt erst was sie früher nicht gesehen hatte, daß in der That sehr viele Vergißmeinnicht da blühten. Also waren diese in Wirklichkeit vorhanden, sie waren kein Traum. Nun sah sie ihren Korb an und, o Wunder! es lag in demselben ein großer Strauß von Vergißmeinnicht, die mit der Wurzel aus dem Boden gezogen waren. Wir selbst, die wir dieses erzählen, lagen in dem Korbe. Käthchen nahm uns zwischen die Hände, betrachtete uns verwundert und ihr Er­staunen wuchs noch, als sie ein Buch im Korbe sah, welches nur von uns verdeckt gewesen war, so daß sie es nicht gleich hatte bemerken können. Das Buch war aufgeschlagen und einige Verslein standen auf den Blät­tern zu lesen, gewiß waren das die Worte, welche die Blumen gesungen hatten. Käthchen hatte in der Schule lesen gelernt,- neugierig nahm sie das Buch und las folgendes Liedchen:

-Lied der Blumen.

Wir Blumen blüh'n so frisch und froh,

Des Regens achtend nicht,

Durch Regen wie durch Sonnenschein Die Liebe Gottes spricht.