510

rosen, welche da zwischen den Bäumen standen, gar nicht als Blumen anerkennen; sie hatten keinen Dust und es war unmöglich, Honig daraus zu saugen. Die Bienenkönigin hatte seit einiger Zeit kleine Ausflüge in die Nachbarschaft unternommen, da hatte sie andere Gärten und Gegenden gesehen und fand nun ihren Bauernhof mit seiner Umgebung unbeschreiblich langweilig. Sie kam eines Tages nach einem Besuch in einem Herrschafts­garten ermüdet nach Hause und setzte sich auf einem Apfelbaum auf die letzte Blüthe, die er noch hatte; hier wartete sie mit einiger Ungeduld auf die Heimkehr ihrer Bienen, welche gleich ihr umhergeflogen waren. Endlich kam der Schwärm nach Hause und versammelte sich um seine Gebieterin. Damals konnten die Bienen noch sprechen, sie können es auch wohl noch, insofern sie sich mit einander verständigen, unseren Ohren aber klingt, was sie sagen, wie ein leises Summen, vernehmliche Worte sind es nicht. Die Königin begann also in der Bienensprache ihren Gedanken Ausdruck zu geben. Sie sagte:Meine lieben Schwestern, ich sinne seit einiger Zeit darüber nach, ob es nicht meine Pflicht als eure Vorgesetzte ist, dafür zu sorgen, daß ihr einen anderen und besseren Aufenthalt wählt, als diesen öden, langweiligen Garten. Ich bin deshalb umhergeflogen und habe nachgeforscht wo etwa ein angenehmer Wohnort für uns sich finden könnte; ich habe auf meinen Flügen durch die Gegend entdeckt, daß es anderwärts viele schöne Blumen giebt, die wir hier nie gesehen haben, deren Anblick, süßen Duft und Saft wir entbehren müßen. Außer dem Weißdorn, der die Hecke ziert und der Reseda, die neben Salat und Petersilie auf dem Beet dort steht, giebt es hier keine einzige Blume. Mir genügt das nicht mehr!" Reseda ist eine liebenswürdige Blume," bemerkte schüchtern ein junges Bienchen.Ich finde sie häßlich," entgegnete die Königin in gebieteri­schem Ton,sie ist eine gewöhnliche Blume und wächst überall zwischen Klatschrosen, Wolfszahn und Disteln. Nichts mehr davon, eure Königin hat etwas Besseres für euch gefunden. In dem großen Herrschaftsgarten, der eine Meile von hier entfernt ist, sah ich heute einen leeren Bienenkorb, der verlassen und vergessen hinter einem Gewächshause auf einer Bank steht, folgt mir dorthin! In dem Gewächshause selbst sind die seltensten Pflanzen, der Garten enthält Parkanlagen mit Gewächsen aller Art, welche gewiß bald die schönsten Blüthen treiben werden. Eilen wir, un­seren Wohnort dort aufzuschlagen, wir gehen gewiß neuen Freuden ent­gegen. Auch in der Nähe dieser Herrschaft giebt es noch andere Gärten, die müßt ihr alle kennen lernen, und da ich selbst täglich unbeweglicher