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unter all' ihren Schmerzen immer auf ihn bedacht, aber sie lag ja selbst hilflos da! Hätte er nicht sein Murmelinchen gehabt, so wäre er sich noch verlassener vorgekommen.

Nach sechs Wochen starb Frau Grete. Als Fritz sein Mütterchen so kalt und weiß daliegen sah, war sein Schreck so groß, daß er sogar Murmelinchen vergaß und sich voll Angst an die Schürze der Nachbarin hing, die ihn mit hinüber in ihre Kammer nahm. Das treue Thierchen folgte ihm aber von selbst, kletterte an ihm hinauf und sah ihn so klug und mitleidig an, als wollte es ihn trösten.

Frau Grete wurde begraben, und nachdem Fritz mit.der Nachbarin vom Kirchhof heimgekommen war, hörte er, wie sie einer anderen Frau erzählte, daß er noch heute abgeholt würde in's Waisenhaus. Da bekam er einen großen Schrecken. Er war einmal im Waisenhause gewesen, um Aepfel hinzutragen, und da war ihm so ängstlich zu Muth geworden zwischen den hohen festen Mauern. Dann hatte er auch die Waisenkinder oft. spazieren gehen sehen, in langen Reihen von ihrem Aufseher geführt. Alle waren grau angezogen und ihre Gesichter sahen trübe und ernsthaft aus; keines hatte geplaudert oder gelacht. Und als er sein Mütterchen fragte, warum sie so reihenweise gingen und nicht herumsprängen, da sagte sie, das dürften sie nicht. Und dorthin sollte er jetzt selbst abgeholt werden, noch heute! Er fürchtete sich. Dann fiel ihm sein Murmelinchen ein. Er kam ganz langsam aus seinem Winkel hervor und fragte, ob er es mitnehmen dürste in's Waisenhaus.

Das Murmelthier? warum nicht gar," sagte die Nachbarin.

Fritz kroch wieder in seine Ecke, setzte sich auf den Schemel und kreuzte seine beiden Arme um das Knie. Alles, was er von Louis wußte, fiel ihm ein. Der hatte ja auch keinen Vater mehr und kein Mütterchen, aber in's Waisenhaus war er nicht gegangen, sondern in die weite Welt, und der fand überall Leute, die ihm zu essen gaben, wenn er ihnen dafür die Schuhe putzte und seines Thierchens Künste zeigte. So wollte er es auch machen! Sobald die zwei Frauen aus dem Zimmer gingen und er sie die Treppe Hinuntersteigen und die Hausthüre zumachen hörte, rannte er geschwind hinüber in sein voriges Kämmerchen, holte aus dem Wandbehälter eine alte Pomadenbüchse voll Stiefelwichse und die Schuhbürste, schob Beides in seine Hosentaschen, stülpte sein graues Mützchen auf den Kopf und lief dann, sein Murmelinchen gegen die Brust gedrückt, wo es warm und sicher unter der Jacke steckte, die Treppen