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Brust, sprach sein Abendgebet und rollte sich dann auf dem harten Bretterboden zusammen wie ein Knäuel, um ein bischen warm zu werden und sein Leid zu verschlafen. Aber er konnte lange, lange nicht ein­schlafen, immer mußte er an sein todtes Mütterchen denken, und als sich endlich seine Augen schlössen, waren sie ganz heiß von Thränen.

Da träumte ihm, daß viele, viele Glocken zugleich zu läuten begannen und in den Klang hinein vernahm er seiner Mutter Stimme, die wie aus Wolken zu ihm sprach:Das ist die Stunde, in welcher unser Heiland geboren worden!" Das Läuten dauerte fort und fort, und auf einmal schlüpfte Murmelinchen aus seiner Jacke hervor und rief ihn deutlich bei Namen, so deutlich, daß er nicht wußte, ob er träume oder wache, und erschrocken rief:Was ist das!"

Aengstige Dich nicht," sagte Murmelinchen dicht an seinem Ohr; hast Du denn nie gehört, daß in der Stunde, wo das liebe Christkindchen geboren ist, alle Thiere Sprache bekommen, um Gott zu preisen und den Menschen zu predigen, wenn es Noth thut? Du bist brav und brauchst keine Ermahnung, dafür will ich Dir aber einen guten Rath geben: Ziel/ hin in's Land der Sonne!"

Wo ist dies Land?" rief Fritz, und rief die Worte so laut, daß er darüber erwachte. Um ihn her war es dunkel und kalt wie zuvor, Murmelinchen lag regungslos auf seiner Brust gebettet, in sein Ohr aber tönte das letzte verhallende Klingen der Christnachtsglocken. Fromm faltete er seine kleinen Hände und betete zum Christkindchen, das ja auch in einem armseligen Stall das Licht der Welt erblickt hatte. Eine wunderbare Tröstung goß sich über sein Herz aus und machte ihm die Dunkelheit hell; ihm war zu Muth, als wäre ihm etwas Gutes und Großes widerfahren, als müßte sein Traum ihm zum Segen ausschlagen. Fröhlichen Muthes schlief er wieder ein, und als er am nächsten Morgen aufwachte, war er zwar sehr hungrig, aber doch dabei guter Dinge. Auch hatte er heute Glück; über Nacht war Thauwetter eingetreten und seine Bürste fand vom frühen Morgen an zu thun, auch ward er während der Feiertage mehr­mals von der Straße in vornehme Häuser gerufen, um den fröhlich spie­lenden Kindern dort die Künste seines Thierchens zu zeigen, und dann reich beschenkt entlassen. Seit Monaten hatte er nicht so viel Geld ver­dient, als jetzt in wenigen Tagen, und dies bestärkte ihn in dem Vorsatz, auf Wanderschaft zu gehen. Nachdem er einige Leute um das Land der Sonne befragt hatte und jedesmal ausgelacht worden war, schwieg er