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Eines Tages, als König und Königin eine kleine Reise durch ihr Land machten, sagte ich dem Hofgesinde, das Prinzeßchen wäre'krank, verwandelte es in ein Murmelthier und legte es so in sein Bettchen. Sie schlief und schlief in einem Zuge fort, daß es ein wahrer Segen war! Am vierten Tage aber dachte ich Unglückselige, etwas frische Luft müßte ihr gut thun und trug sie ganz sanft und sacht hinab in den Garten, wo ich sie auf weiches Moos bettete und in der Nähe auf und ab ging, um sie nach einer Stunde wieder in's Schloß zu tragen. Da kam ganz unversehens die Königin angefahren, die wir erst nach einigen Tagen erwarteten, und rief mich im Vorüberkutschiren an den Wagen, um nach ihrem Prinzeßchen zu fragen. In meinem Schreck verfiel ich auf die Ausrede, mein süßes Pflegekind habe nach ein paar kranken Tagen in's Freie verlangt und spiele im Park, wo ich sie gleich abholen wolle. Wie soll ich aber be­schreiben, was jetzt geschah! Sobald die Königin in's Schloßthor einge­fahren war, lief ich zu dem stillen Moosplätzchen zurück, um der Prin­zessin ihre wirkliche Gestalt wieder zu geben, aber dort war nichts mehr zu hören und zu sehen! Kein Murmelthier, kein Prinzeßchen weit und breit! In wahrer Todesangst durchsuchte ich vergebens stundenlang den ganzen Park und Garten, und zuletzt blieb mir nur übrig, der Königin Alles zu gestehen.

Sie ließ mich zu ihren Füßen jammern, ohne mir ein Wort der Verzeihung zu gewähren, und als alle abgesandten Boten zurückkamen, jeder mit einem oder mehreren Murmelthieren, die er irgendwo aufgetrieben hatte, als ich vergebens meine Sprüche an diesen Thieren versuchte, ward ich in einen tiefen Kerker geworfen. Der König verurtheilte mich nach seiner Rückkehr zum Tode, milderte aber auf Fürbitte der Königin dieses Urtheil zu lebenslänglicher Ketten strafe. Da sitze ich nun, Tag um Tag, Jahr um Jahr, und wäre tausendmal lieber todt, als daß ich fortwährend an das Unheil denken muß, was ich Aermste verbrochen! Niemals kann ich mein Prinzeßchen vergessen; wo mag sie sein, das arme schuldlose Mnrmelthierchen, der ich in meiner Thorheit aus lauter Liebe das Aergste angethan habe!"

Fritz hatte mit athemloser Spannung zugehört; als die Alte nun weinend stille schwieg, frug er eifrig:Geschah dies im Monat September?"

Ja," sagte die Alte mit großen Augen;warum frägst Du?"

War es Morgens oder Abends, als Dein Murmelthier ver­schwand?"