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Nachmittag war es, gegen Sonnenuntergang, ein warmer, schöner Tag o Gott im Himmel, sprich, warum frägst Du?"

Weil ich Dir helfen kann!" rief Fritz in Heller Freude!Ein Freund von mir, ein Savoyardenjunge, erzählte mir, daß er an einem schönen Septemberabend, auf weiter Wanderschaft begriffen, einmal durch ein herrliches, schimmerndes Land gekommen, wo ein goldenes Schloß stand, mit einem weiten Garten dabei, der ihm so gefallen, daß er sich durch einen Spalt in der Hecke hineingeschlichen, um Alles zu beschauen. Dort sah er im Moose zwischen seltenen Gesträuchen ein schlafendes Murmel­thier liegen und betrachtete das als einen Segen Gottes, da seine eigene Marmotte, die er aus der Heimath mitgenommen, ihm kurz zuvor ge­storben war. Deshalb nahm er das Thierchen, barg es unter seiner Jacke, wie er mit dem früheren zu thun pflegte, und machte sich rasch fort, als er Jemand herankommen sah, weil er wegen seines Eindringens in den Garten bestraft zu werden fürchtete."

Die Alte schlug ihre gefesselten Hände zusammen:Und weißt Du, lieber Junge, wo Dein Freund jetzt ist, ob das Murmelthier noch lebt, ob es noch bei ihm ist?"

Nicht bei ihm," rief Fritz voll Fröhlichkeit,es ist bei mir!" Er sprang wie ein Blitz empor, eilte in die Mitte der Straße und ließ den Pfiff ertönen, der für Murmelinchen stets das Signal zum Beginn seiner Künste war. Kaum klang der laute, schrille Ton durch die Lüfte, als das Thierchen vom goldenen Schlosse auf die Hütte zugelaufen kam. Doch setzte es sich nicht, wie es bei diesem Pfeifen sonst zu thun pflegte, zu seines Herrn Füßen auf die Hinterbeinchen, sondern kletterte hurtig an den Knien der Alten herauf auf deren Schooß. Im demselben Augen­blick sielen die Ketten von selbst von ihren Händen ab und sie erhob dieselben, um mancherlei Zeichen über Murmelinchen zu machen, während sie Sprüche murmelte.

Während Fritz noch regungslos hinstarrte, erblickte er plötzlich statt seines lieben trauten Thierchens ein wunderschönes kleines Mädchen auf dem Schooße der Frau; das Kind umschlang den Hals der Alten mit seinen beiden schneeweißen Aermchen, aus den goldenen Locken, die sein Köpfchen umflatterten gleich einem aus lauter Sonnenstrahlen gewebten Schleier, blickte, zu Fritz rückwärts gewendet, ein wundersüßes Gesicht.

Er stand da wie in den Boden gemauert und rührte sich nicht; auch jetzt, als das liebliche Mädchen vom Schooße der alten Frau niedersprang