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und ihm ihr Händchen entgegenstreckte, wagte er nicht es zu ergreifen. Da ' lachte sie ihn an und sprach:Kennst Du mich denn nicht mehr? Ich bin ja Dein Murmelinchen!" ,

In demselben Augenblicke öffneten sich die beiden Thorflügel des goldenen Schlosses und ein seltsamer Zug kam daraus hervor. Paar um Paar reihte sich das reichgeschmückte Hofgesinde aneinander, dann folgten einige Zinkenisten, die mit langgezogenen Klagetönen musizirten. Ihnen folgte ein weißgekleideter Fahnenträger, dessen flatterndes Banner auf weißem Grunde ein ungemein naturtreu gemaltes Murmelthier zeigte. Hinter diesem schritten König und Königin Hand in Hand. Fritz blickte ehrfurchtsvoll auf die erhabenen Gestalten, an denen Alles Licht war, das helle, fast leuchtende Antlitz, die juwelengestickten Gewänder, die strahlenden Augen, welche trotzdem einen solchen Ausdruck der Trauer an sich trugen, daß man sie nicht anschauen konnte, ohne mit ihnen Leid zu tragen.

Als das Herrscherpaar unter dem Thron sichtbar wurde, sagte die Alte leise zu der kleinen Prinzessin:Sieh', Liebling, so ziehen Deine Eltern, seit sie Dich verloren, alltäglich zu der Stelle im Garten, wo Du zuletzt gewesen, und beten dort zum lieben Gott, Dich ihnen wiederzugeben!"

Die Prinzessin, welche schon im Begriff gewesen sich ihren Eltern entgegenzustürzen, blisb auf dies Wort hin einen Augenblick nachdenklich stehen, ergriff den Fritz mit der einen, die alte Frau mit der andern Hand und eilte durch das Hintergebäude des Palastes dem Garten zu, während der Zug um die Ecke des Platzes bog, um Angesichts des von allen Seiten zuströmenden Volkes in einem weiten Bogen nach der Parkpforte zu wandern.

Dort lag, von Palmen und Sykomoren umgeben, ein köstlich einsames Plätzchen, dessen Boden dichtes Moos bedeckte. Auf der Mitte desselben war aus Marmor ein kleiner Altar errichtet, den Blumen in Fülle rings umgaben und der auf seiner glänzenden Fläche in Goldbuchstaben das Wort:Wiedersehen!" trug.

Der Trauerzug näherte sich langsam durch die schattigen Laubgänge des Gartens; vor dem Rondel, welches die Palmen bildeten, blieb alles Gefolge zurück, während König und Königin in das geweihte Rund ein­traten. Aus beider Brust zugleich rang sich ein lauter Ruf des Glückes, der höchsten Ueberraschung! Dort, zu Füßen des Altars, kniete ihr liebes, verlorenes Kind, nur größer und schöner geworden, und stürzte nun freudig in ihre weitgeöffneten Arme!