Die Verdichtung des Leitungsnetzes und die rapide Zunahme des telegraphischen Verkehres bedingte eine entsprechende Vervollkommnung der Telegraphentechnik hinsichtlich des Leitungsbaues und des Apparatwesens.

Was zunächst den Leitungsbau anbelangt, so wurde bereits angeführt, dass die ersten in Oesterreich ausgeführten Telegraphenleitungen eine Nachbildung des damals in England gebräuchlichen Bausystemes waren. Der 3 mm starke Kupferdraht war auf 7 m hohen und im Mittel 45 m von einander entfernten Holzsäulen durch die Luft gespannt. Behufs Isolirung des Drahtes wurde das obere Ende der Säule mit einem Rundeisen und letzteres mit einem halbmondförmigen, ösenartig durchbohrten Porzellanstücke versehen, durch dessen Oeffnung der Draht ohne weitere Befestigung durchlief. Da die hiedurch erzielte Isolation bei schlechtem Wetter sehr mangelhaft war, wurde später das Porzellanstück durch ein kleines Dach aus Zinkblech gegen Regen geschützt, welche noch immer sehr primitive Einrichtung 1849 durch den sogenannten amerikanischen Isolator, einer Glocke aus Glas oder Porzellan, um deren eingeschnürten Hals der Leitungsdraht gewickelt "war, ersetzt wurde. Das jährliche Erfordernis an Kupfer verursachte bei dem grossen Bedarf an neuen Leitungen beträchtliche Kosten. Dieser Umstand im Zusammenhalte mit der geringen Festigkeit und der grossen Dehnbarkeit des Kupferdrahtes, welche Eigenschaften um so unangenehmer fühlbar wurden, je mehr Drähte an demselben Gestänge zugespannt werden mussten, veranlasste die Verwaltung im Jahre 1856, die ausschliessliche Verwendung von Eisenleitungen für Neu­bauten und die successive Auswechslung der vorhandenen Kupferdrähte anzuordnen. Gleichzeitig fand ein Austausch der Glasisolatoren gegen Porzellanglocken von wesentlich stärkeren Dimensionen statt; derartige Isolatoren finden sich derzeit noch in älteren Leitungen vor.

Gegenwärtig wird verzinkter Eisendraht für internationale und Reichsleitungen von 5 mm, für Reichsleitungen bis zu 200 km Länge von 4 mm und für Ortsleitungen von 3 mm Durchmesser verwendet. In Gegenden, wo die Drähte starken Aneisungen oder sonstigen abnormen Witterungseinflüssen ausgesetzt sind, wird Compounddraht, bestehend aus einer Stahlseele mit Kupfermantel von 34 mm Durchmesser gespannt. In neuester Zeit wird für besonders wichtige, internationale Linien mit Vorliebe sogar das weit kostspieligere Bronzedrahtmateriale gewählt, um den elektrischen Widerstand der Leitungen herabzumindern. Durch diese Maassregel war es z. B. möglich geworden, auf der 1950 km langen Leitung von Berlin über Tirol nach Rom den directen Hughesbetrieb ohne Translation einzuführen. Den gesteigerten Anfor­derungen, welche bei langen Leitungen an die Isolation des Drahtes gestellt werden müssen, konnten auf die Dauer selbst die verstärkten einfachen Porzellanglocken nicht genügen. Kurze Zeit, nachdem Chauvin die Doppelglocke in Preussen und später in England eingeführt hatte, kam diese wesentlich verbesserte Isolatorform auch in Oesterreich in Gebrauch, und werden derzeit je nach der Bedeutung der Leitung und der Beschaffenheit des Gestänges Doppelglocken in vier verschiedenen Grössen eingebaut.

Der nebst dem Draht- und Isolationsmateriale wichtigste Bestandtheil einer oberirdischen Leitung, das Gestänge, besteht im Inlande mit geringen Ausnahmen aus Holzsäulen. Eiserne Gestänge werden nur in Stadtleitungen oder in vereinzelten Fällen als Abspannmaste aufgestellt. Das Holz besitzt bei mässigem Preise höchst werthvolle Eigenschaften, worunter sein geringes Gewicht, die grosse Festigkeit und die Fähigkeit der Isolation im trockenen Zustande besonders hervorzuheben sind. Welche Bedeutung diesem Materiale in ökonomischer Beziehung beigemessen werden muss, mag daraus entnommen werden, dass die österreichischen Telegraphenleitungen 1867 in runder Zahl 450.000 Holzsäulen enthielten, gegenwärtig aber im diesseitigen Verwaltungsgebiete allein weit über eine Million Säulen eingebaut sind, dass gewöhnliche Nadelholzsäulen in der Regel nach 4 5 Jahren wegen Fäulnis nahezu werthlos werden, und dass der jährliche Bedarf infolge des regelmässigen Abfalles und der Neubauten jetzt durchschnittlich 60.000 Säulen beträgt.

In Berücksichtigung dieser Verhältnisse war die Verwaltung schon in den Fünfzigerjahren bemüht, die Lebensdauer der Säulen durch entsprechende Conservirung des Holzes zu verlängern und auf diese Weise die für die Instandhaltung des Unterbaues aufzuwendenden Kosten herabzumindern. Das gewöhn­liche Mittel der oberflächlichen Verkohlung des unteren Stammendes oder dessen Schutz durch einen wasserdichten Ueberzug erwies sich im allgemeinen bald als unzureichend, in vielen Fällen sogar mehr schädlich als nützlich. Im Jahre 1858 wurde die Aufmerksamkeit der in Frankreich schon seit längerer

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