Die in den 43 Stationen im Betriebe befindlichen Rohrpostapparate, welche den Empfang und die Expedition der Züge vermitteln, haben im Laufe der Zeit wesentliche Abänderungen erfahren. Namentlich die Mittelstationsapparate wurden nach einer seit dem Jahre 1892 allgemein eingeführten Type sehr vereinfacht, indem an Stelle der unförmlichen Doppelkammerapparate nunmehr Wandapparate mit einer Kammer den Dienst für beide Fahrrichtungen in durchaus befriedigender Weise leisten. Die Fahrbetriebsmittel, ursprünglich stählerne Büchsen, werden jetzt aus Aluminium gefertigt, wodurch das todte Zugsgewicht wesentlich herabgemindert wurde.

Eine zweite Rohrpostanlage von weit kleinerem Umfange als jene in Wien ist derzeit in Prag in der Ausführung begriffen.

Die bisherigen Ausführungen über den Leitungsbau und das Apparatwesen beziehen sich zwar zunächst nur auf die österreichischen Staatslinien, gelten jedoch fast ohne Einschränkung auch für die von der Staatsverwaltung hergestellten Bahnbetriebsleitungen. Die übrigen, für specielle Eisenbahnzwecke dienenden Signal- und Controlapparate zu beschreiben, würde hier zu weit führen und kann füglich auch, als nicht eigentlich zur Telegraphie gehörig, übergangen werden. Dagegen dürfte es von Inter­esse sein, in kurzen Zügen die Entwicklung des Verkehres und die internationalen Beziehungen der Telegraphenanstalt zu erörtern.

Das Telegraphenwesen bildet bekanntlich seit jeher einen Theil der Staatsmonopole, jedoch hat sich die österreichische Regierung in früheren Jahren ihres ausschliesslichen Vorrechtes zur Anlage von Telegrapheneinrichtungen durch Ertheilung von Concessionen an Privatgesellschaften zu bestimmten Zwecken in wiederholten Fällen, allerdings unter Festsetzung gewisser einschränkenden Bestimmungen, begeben.

Die Frage, ob dem Publicum die Benützung des neuen Verkehrsmittels zu gestatten sei, war in der Zeit der Entstehung des Telegraphenwesens in den maassgebenden Kreisen sehr verschieden beant­wortet worden. Für die Beurtheilung der Tragweite eines solchen Zugeständnisses, für eine Schätzung der zu erwartenden Betheiligung des Publicums fehlten damals alle Anhaltspunkte.

Die telegraphische Privatcorrespondenz wurde in Oesterreich 1850 zwischen zehn inländischen Stationen gestattet. Die Höhe der damaligen Specialtarife kennzeichnend ist die Thatsache, dass für jede Depesche 2 fl. C.-M. als Manipulations-, 24 kr. C.-M. als Zustellungsgebühr und 5 kr. C.-M. für 20 Worte per Meile Leitung für die Beförderung eingehoben wurden. Die erste internationale Rege­lung der Tariffrage erfolgte durch die 1849 mit Bayern und Preussen geschlossene Convention betreffs Verbindung der beiderseitigen Telegraphenlinien. Da jeder der contrahirenden Staaten ein anderes Apparatsystem eingeführt hatte und sonach selbst für den elektrischen Strom die Landesgrenze unüber- schreitbar blieb, konnte dieser erste Telegraphenvertrag noch nicht von besonderer Bedeutung sein.

Dagegen wurde am 25. Juli 1850 zu Dresden der Grundstein zur Bildung eines deutsch - öster­reichischen Telegraphenvereines durch einen zwischen den Staaten Oesterreich, Preussen, Bayern und Sachsen geschlossenen Vertrag gelegt, dessen wichtigste Bestimmungen: directer Verkehr zwischen den Hauptstädten ohne Rücksicht auf die politischen Grenzen, Gebrauch des Morse-Apparates mit einheit­lichem Alphabet und Taxirung der Depeschen nach Luftlinien, auf der ersten internationalen Telegraphen- Conferenz in Paris im Jahre 1865 für den ganzen Continent ausgedehnt, jedoch in mehrfacher und wesentlicher Beziehung später ergänzt wurden. Seither werden die internationalen Beziehungen im Telegraphenwesen von 5 zu 5 Jahren durch Telegraphencongresse geregelt.

So war die Telegraphie schon auf eine sehr hohe Stufe der Entwicklung gelangt, als plötzlich eine Erfindung in den Vordergrund der Discussion trat, deren Bedeutung für den Verkehr zwar anfangs selbst von fachlich Gebildeten in Abrede gestellt wurde, deren Tragweite für das sociale Leben jedoch heute über alle Zweifel erhaben ist. Es war die Erfindung des Telephons, welche geradezu unvermittelt ein ganz neues und allem Anschein nach der Telegraphie hinsichtlich ihrer culturellen Bedeutung min­destens ebenbürtiges Verkehrsmittel schuf.

Durch die Telephonie ist das Gebiet der elektrischen Nachrichtenübermittlung nach mehr­fachen Richtungen hin bedeutend erweitert worden. Sie ermöglicht den unmittelbaren Gedankenaus­tausch in die Ferne, ohne, wie die Telegraphie, zur Erreichung dieses Zweckes besonders eingeübter

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