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Das Wasser im alten und neuen Aegypten : Vortrag, gehalten am 17. Januar 1891 im Klub der Landwirthe zu Berlin / von Max Eyth.
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Nil benetzte Einschnitt, welcher die große nordafrikanische Wüste durchbricht: ein Geschenk des Stromes, wie die Alten sagten, ohne den ganz Aegypten so unbekannt und todt wäre, wie es das Hinterland von Tripolis heute noch ist.

Bis vor wenigen Jahrzehnten, durch die Jahrtausende der Menschengeschichte, in der der Fluß eine Rolle spielte, wie kaum ein zweiter, umgab den heiligen Nil ein geheim­voller Zauber, der heute noch nicht ganz geschwunden ist. Niemand kannte seine Quelle. Uralte Sagen von großen Seen, von Schneebergen unter der tropischen Sonne, von Zwergen, die sein Quellengebiet bewohnten, waren drei Jahrtausende lang bald geglaubte, bald belächelte Märchen geblieben. Ohne jeglichen Zufluß, in einsamer Größe zieht der Strom durch 1200 Kilometer der Wüsten Nubiens und tritt mit seiner gewaltigen Wassermasse über die Schwelle Aegyptens wo sein eigenthümliches Leben ein Land und ein Volk schuf, das in ihm wohlerklärlicher Weise ein göttliches Wesen und den Vater alles Lebendigen verehrte.

Diese Wassermasse ist der Abfluß eines tropischen Binnen­landes von ungefähr 3 025 000 Q.-Kilometern, d. h. etwa von der sechsfachen Größe Deutschlands. Die Wassermenge be­trägt dennoch nur durchschnittlich 93000Millionen Kubikmeter im Jahr, d. h. nur ungefähr 1^ mal mehr als der Rhein an Köln vorübersührt. Gestatten Sie mir, m. H., diese Maßeinheit, den Rhein bei Köln, gelegentlich einzuführen, um die todten Zahlen einigermaßen verständlich zu machen: vor allem seiner Durchschnittswassermenge von 54 750 Millionen Kubikmeter im Jahr, oder 150 Millionen Kubik­meter in 24 Stunden. Die Wassermenge des Nils ver­minderte sich von Assuan bis zu den Mündungen, wie bei jedem Strom ohne Zuflüsse durch Verdunstung und