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Versickerung beträchtlich: in unserem Falle durch die Bedürfnisse der Bewässerung noch in weit höherem Grade.
Für die lebenschaffende Kraft dieser gewaltigen Wassermasse ist ein Punkt von besonderer Wichtigkeit: ihre Bewegungsrichtung von Süd nach Nord, aus den Tropen in ein halbtropisches Land. Dadurch ist das Nilwasser um mehrere Grade wärmer, als es wäre, wenn der Flußlauf westöstlich oder gar von Nord nach Süd gerichtet wäre. Dem Land wird in Folge hiervon alljährlich eine bestimmte Menge von Wärme und Kraft zugeführt, die sich, wie die Sonnenwärme, in allen Lebensäußerungen der Natur fühlbar machen muß. Wir sehen etwas ähnliches in noch größerem Maßstabe beim Golfstrom. Der Unterschied zwischen diesen Verhältnissen und der Wirkung des Stromes im Mississippithal, welcher die gerade entgegengesetzte Laufrichtung hat, dessen Wasser somit kälter sind, als die von ihm benetzten Ufer, ist für jeden überraschend, der die Landwirthschaft in beiden Stromgebieten kennen gelernt hat. Daß der Nil Leben bringt, ist deshalb keine poetische Phrase, sondern, wenn wir unter Leben Wärme, Kraft und Bewegung in ihren tausend Formen verstehen, eine buchstäbliche, physikalische und physiologische Wahrheit.
Die für die Kultur Aegyptens bedeutsamste Eigenthümlichkeit des Stromes ist der periodische Wechsel seiner Wassermenge. An den steilabfallenden Nilufern bei Cairo stehend, sehen wir Anfangs Juni ein fast 1000 Meter weites halb vertrocknetes Flußbett, durch das sich in hundert Windungen die Reste des Stromes hinziehen, welche die glühende Sonne und der brennende Sand fast zu verzehren drohen. Um diese Zeit ist die tägliche Wassermenge kaum 35—40 Millionen Kubikmeter, kaum des Rheins. Die Userhöhe, auf der wir uns befinden, die eigentliche Fläche des Kulturlandes, liegt 5 Meter über dem klaren