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Ins innerste Afrika : Bericht über den Verlauf der deutschen wissenschaftlichen Zentral-Afrika-Expedition 1907 - 1908 / von Adolf Friedrich Herzog zu Mecklenburg
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Sorglos genossen wir die schöne Fahrt, als ein heftiger Stoß den Dampfer erschütterte und einen Augenblick aus der Fahrtrichtung brachte. Mit voller Kraft waren wir auf eine in der Karte falsch oder gar nicht verzeichnete Klippe gefahren, und durch das mächtige Leck, welches an Backbord klaffte, strömte das Wasser unaufhaltsam in den Kaum, wo unsere Lasten lagen. Die fortwährend schöpfenden Leute konnten das Eindringen des nassen Elementes nicht verhindern, der Bug sank immer tiefer weg, das Fahrzeug war nicht flott zu halten und drohte ganz zu sinken. So blieb uns nichts übrig, als dieDelivrance" aus Grund zu setzen. Mit voller Kraft fuhren wir daher in das Buschwerk des nördlichen Users hinein. Vergeblich! Der Dampfer prallte wie ein Ball mit heftigen Schwankungen am Ast- werk ab.Volldampf rückwärts, Kuder hart Backbord und äußerste Kraft vorwärts, quer über den Fluß", lauteten jetzt die Befehle, die mit bewunde­rungswürdiger Kühe ausgeführt wurden. Da gewahrten wir am jenseitigen Ufer unterhalb eines Dorfes flachen Strand. Um das Topgewicht zu ver­ringern, gingen wir alle auf das untere Deck hinab, das schon fast vom Wasser überspült wurde. Was die Maschine leisten konnte, sausten wir gerade auf das Ufer los, noch 50 Schritt, 30, 10, dann ein furchtbarer Stoß; schwer legt sich der Dampfer über, richtet sich wieder aus und sitzt fest. Lin befreiendes Hurra entringt sich unseren Kehlen. Unsere braven Boys aber warteten in ihrer Angst dieungewöhnliche" Landung nicht erst ab, sondern sprangen, wie sie waren, über Bord.

Nach Entleerung des Dampfers von allem Gepäck wurde mit der Uotreparatur begonnen. Erst als die Sonne sich zur Neige rüstete, konnten wir die unterbrochene Fahrt wieder aufnehmen. Aber wir bedauerten den Aufenthalt nicht, denn leise lagerte sich jetzt die Dämmerung über den Urwald, und das Schweigen, das rings umher herrschte, löste weihevolle Fest­tagsstimmung in uns aus. hinter den Wolken brach die glänzende Scheibe des Mondes in voller Klarheit hervor und breitete über die Landschaft jenen unaussprechlichen Tropenzauber aus, der dem Naturfreund so unbezwing- liche Sehnsucht ins herz senkt und der ihn, aller Strapazen und Gefahren ungeachtet, immer und immer wieder in die großen, geheimnisvollen Gebiete des unerforschten Afrika zurücktreibt. Lautlos saßen wir an Deck, ergriffen von dem wahrhaft feenhaften Bilde.

So ging es durch die nächtlichen Gefilde. Nach Stunden tauchte in weiter Ferne ein einzelnes flackerndes Licht auf, dann ein zweites, dann mehrere.

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